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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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dem Wächter vorbei, stieß Flavio zur Seite und beugte sich über den Rand des Brunnens. Er drehte sich zu Flavio um, das Gesicht vom Hass zu einer grässlichen Fratze verzerrt.
    Flavio wich einen Schritt zurück. Holzer ging, das Messer ausgestreckt, auf ihn zu. »Das wirst du mir büßen, Giordanetto. Diese Nacht wirst du nicht überleben, das verspreche … aaah … verdammt …« Der Historiker griff sich wieder an den Kopf und krümmte sich. Das Messer hielt er dabei weiter auf Flavio gerichtet. »Ich muss zurück. Ich habe keine Zeit mehr.«
    Flavio dachte nicht daran abzuwarten, bis Holzer sich wieder erholt hatte. Er drehte sich um und preschte los. Hastete durch den dunklen Gang, sprang über Beine, stieß Körper zur Seite, die sich ihm in den Weg stellten.
    »Giordanetto!« Das Brüllen seines Verfolgers wurde lauter. Holzer kam näher. Flavio riss die Seitentür zur Kirche auf. Zurück zum Gemälde. Und dann? Bitte, Johanna, hol mich hier raus! Flavio betete, dass sein stummes Flehen erhört wurde.
    Das Keuchen seines Verfolgers kam näher und übertönte das Stöhnen der Menschen, über die Holzer einfach hinwegrannte.
    Nur noch wenige Meter. Was sollte er tun, wenn Johanna nicht kam? Flavio hastete die Stufen zum Altar hoch.
    »Johanna! Kannst du mich h…« Etwas riss ihn mit gewaltiger Kraft von den Füßen. Er schlug der Länge nachauf den Steinboden. Holzer hielt sein rechtes Fußgelenk mit eisernem Griff und zerrte ihn unbarmherzig auf das Gemälde zu. Flavio war mit dem Kopf aufgeschlagen und glaubte, sein Schädel müsse jeden Moment platzen. Trotzdem trat er mit seinem linken Fuß immer wieder nach dem Historiker.
    »Bruder Stephanus! Solltet Ihr nicht bei Euren Brüdern sein und ihnen helfen in dieser schweren Stunde?«
    Holzer ließ Flavio los und fuhr herum. Flavio nutzte die Gelegenheit und sprang auf die Beine. Theophil.
    »Was … was macht Ihr hier?« Holzer starrte den Mönch in der hellen Kutte an, der langsam auf ihn zuschritt. »Wie seid Ihr hierhergekommen?«
    »Auf demselben Weg wie Ihr, Bruder Stephanus.« Theophil stand jetzt vor Holzer und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Und jetzt werden wir beide dorthin zurückgehen, wo wir hingehören. Gebt mir das Messer!«
    Holzer zuckte zusammen. »Lasst mich los! Ich habe nichts mehr mit Euch zu schaffen!« Holzer wich zurück. Theophil folgte ihm, und Flavio beobachtete erstaunt, wie Theophil immer größer und stärker zu werden schien.
    Der heruntergekommene ärmliche Pennbruder, der betrunken durch Wien irrte und den Spott der Leute auf sich zog, war endgültig aus Theophils Leben verschwunden.
    Stattdessen stand er jetzt hoch aufgerichtet vor Holzer, der immer noch versuchte, Theophil mit dem Messer zu bedrohen.
    »Niemand«, sagte Holzer und seine Stimme war nur noch ein Krächzen, »niemand wird mich aufhalten. Auch Ihr nicht, Bruder Theophil! Und wenn ich dafür einen Mord begehen muss!« Er richtete das Messer weiter auf den Mönch. »Macht den Weg frei, wenn Euch Euer Leben lieb ist.«
    Theophil schüttelte langsam den Kopf und ging noch einen Schritt weiter auf Holzer zu. »Ich konnte nicht verhindern, dass Ihr die Elemente Gottes gestohlen habt. Ihr könnt mich ermorden, auch daran kann ich Euch nicht hindern. Aber das werdet Ihr nicht hier tun, sondern da, wo Ihr hingehört.«
    Plötzlich ging alles sehr schnell. Mit einem Schrei stürzte Theophil sich auf Holzer und fiel mit ihm zusammen gegen das Altarbild. Flavio hörte Holzer kurz aufbrüllen und dann hatte das Gemälde auch schon beide Männer verschluckt.
    In der Kirche wurde es totenstill.
    Flavio starrte auf das Bild und wartete darauf, dass es die beiden Männer wieder ausspucken würde, aber nichts geschah. Für einen kurzen Moment war es, als sei die Zeit stehen geblieben.
    Dann erst sah Flavio, dass auch Johanna neben dem Gemälde stand und die Szene beobachtet hatte. Sie schaute ihn an und lächelte. Dann hielt sie ihm ihre Hand hin. »Komm«, sagte sie. »Die anderen warten schon auf dich.«
    Sobald Johanna mit Flavio aus dem Gemälde trat, kam Leben in Viviane.
    »Die Farben, schnell!«, rief sie Johanna zu und rannte zum Altarbild.
    Johanna griff nach einem Beutel, der zu Füßen des Altars lag, und zog einen Pinsel und mehrere Fläschchen heraus. Viviane nahm den Pinsel in die Hand, als ob sie nie etwas anderes getan hätte, und tauchte ihn in die bereits angerührte Farbe.
    Mit wenigen Pinselstrichen übermalte sie das Portrait von Dr. Stephan

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