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Holundermond

Holundermond

Titel: Holundermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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Schultern. »Von irgendwelchen Schätzen war weit und breit nichts zu sehen.«
    Nele war mit ihren Gedanken wieder ganz woanders. Was ging sie die Schatzkammer an? Sie schloss für einen Moment die Augen und dachte an Lilli. Dieser Gedanke erfüllte sie mit so großer Sehnsucht, dass sie glaubte, an diesem Gefühl ersticken zu müssen. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie Lilli nicht angerufen hatte. Auch wenn ihre Eltern sich getrennt hatten, hätte Lilli ein Recht darauf gehabt zu erfahren, was mit Jan war.
    Und Lilli hätte jetzt sicher auch gewusst, was sie tun sollte. Nele kam sich mit einem Mal so klein vor und gleichzeitig so erwachsen. So vieles hatte sie in den letzten Tagen an Flavios Seite erlebt und durchgestanden. Aber jetzt wünschte sie sich ihre Mutter herbei wie niemals zuvor in ihrem Leben.
    Sie wollte nicht länger stark sein und tapfer. Sie wollte wieder klein sein, keine Entscheidungen treffen müssen und keine Angst mehr haben.
    Ihr Blick fiel auf Johanna. »Was ist mit Samuel?«, entfuhr es ihr. Sie hätte sich dafür auf die Zunge beißen können. Johanna machte sich bestimmt schon genug Sorgen, wieso musste Nele sie jetzt auch noch daran erinnern, dass Samuel die ganze Zeit allein war?
    Viviane strich Nele über das Haar und betrachtete sie nachdenklich. »Ja, wir müssen zuerst Samuel da rausholen. Die verschwundenen Gegenstände haben Zeit.«
    »Was meinst du mit da rausholen?« Giovanni zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.
    Flavio kam Viviane zuvor. »Ich gehe mit Johanna in ihre Zeit und zusammen holen wir Samuel.«
    »Aber dieses Tor – dieses Tor durch die Zeit«, Giovanni schaute von Flavio zu Viviane, »das ist doch verschlossen, hast du gesagt.«
    »Nur für Holzer. Nicht für Johanna.« Flavio grinste. Er war wieder ganz in seinem Element.
    Mit einem Mal merkte Nele, welche Frage ihr schon die ganze Zeit durch den Kopf spukte. »Wie kommt eigentlichJohannas Portrait auf das Gemälde? Johanna war doch zur Zeit des Malers Celesti noch gar nicht geboren.«
    Viviane nickte. »Erinnerst du dich daran, dass ich euch erzählt habe, wie viele Menschen dem Maler für sein Kunstwerk Modell saßen? Dieses Portrait stellt nicht Johanna dar. Aber es muss eine direkte Urahnin von Johanna sein, sonst blieben die magischen Farben bei Johanna ohne Wirkung.« Viviane zwinkerte Nele zu. »Aber das ist eine Geschichte für eine weitere Nacht unter dem Holunder.« Als Nele etwas sagen wollte, winkte Viviane ab. »Jetzt müssen wir uns zuerst um Samuel kümmern. Ich schlage vor, dass du die Kinder begleitest und ihnen hilfst«, wandte sich Viviane an Giovanni.
    Nele musste schmunzeln, als sie das entsetzte Gesicht von Flavios Vaters sah.
    »Also, was mich betrifft«, sagte Giovanni, während er die Karte wieder zusammenfaltete, »ich kann gut auf ein Wiedersehen mit diesem
Dottore
Holzer verzichten. Seit er im Kloster aufgetaucht ist, hat er mir das Leben zur Hölle gemacht. Mir – und meinem Sohn«, fügte er mit einem Blick in Flavios Richtung hinzu.
    »Die Tür durch die Zeit ist für Holzer verschlossen, Giovanni.« Viviane legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Er kann dir nicht mehr begegnen. Ich will nicht sagen, dass es vollkommen ungefährlich ist, dorthin zu gehen, aber zumindest Stephan Holzer stellt keine Gefahr mehr dar.«
    Giovanni schien immer noch nicht überzeugt.
    Aber Nele fühlte sich mit einem Mal wie elektrisiert. Sie fasste Giovanni am Arm. »Wann wurde diese Schatzkammer zugemauert?«
    Giovanni überlegte einen Moment. »Ich glaube, als das Seuchenhaus aufgelöst wurde. So genau weiß ich das aber nicht.«
    Flavio sah Nele direkt an. »Du meinst«, sagte er, »wir sollten nicht nur Samuel da rausholen, sondern uns gleich auch mal die Schatzkammer ansehen.«
    Nele nickte. Sie konnte nicht sagen, woher dieses Gefühl auf einmal kam. Aber tief in ihrem Inneren spürte sie, dass es genau das war, was sie jetzt tun musste. Sie wollte in Johannas Zeit reisen und sich den Raum ansehen, in dem vielleicht die Kunstgegenstände lagerten, für die Jan sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

33
    Neles Herz klopfte bis zum Hals. In wenigen Augenblicken würde sie an Johannas Seite durch das Gemälde gehen. Was erwartete sie bloß auf der anderen Seite des Bildes? Würden sie es schaffen, mit Samuel wieder unversehrt in ihre Zeit zurückzukehren?
    Gemeinsam hatten sie überlegt, was sie mitnehmen sollten, und sich entschlossen, so wenig wie möglich einzupacken, um nicht zu viel Ballast

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