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Holy Shit

Holy Shit

Titel: Holy Shit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf-Bernhard Essig
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doch darauf ab, den Beschimpften aus der Norm, aus der Gesellschaft, aus dem Akzeptablen auszuschließen.
    Mindestens ebenso wichtig sind der Ort und die Zeit ihrer Speicherung in unserem Hirn. Da Kraftausdrücke schon mit dem Spracherwerb gelernt werden, aber ungleich den meisten anderen Wörtern mit starken Emotionen verbunden werden, indem das Umfeld den Gebrauch bestraft, verlacht, verspottet oder gar bejubelt, gewinnen sie eine starke emotionale Aufwertung. Das führt übrigens auch dazu, dass man sie für wortwörtlich alle emotionalen Stadien einsetzen kann, schlicht als Verstärkungswörter. Denken Sie nur an die »Mordsgaudi«, den »Teufelskerl« oder den Ehrentitel »Hund« im Bayerischen. In der frühen Zeit des Spracherwerbs werdendie Tabuwörter noch nicht der linkshemisphärischen Kontrolle im Cortex unterworfen, da er noch nicht entsprechend ausgebildet ist, die Kontrolle über das limbische System noch nicht entsprechend übernommen hat. Aus diesem Grunde besitzen die hier »archivierten« und in dieser sensiblen Phase gelernten Ausdrücke eine mit anderen Wörtern nicht zu vergleichende emotionale Potenz, können unvergleichlich viel tiefer und stärker wirken.
    Bei der Person, die Ziel des Fluches, der Beschimpfung ist, sieht es ähnlich aus, da die Wörter einerseits durch das soziokulturelle Tabu gleichsam energetisch aufgeladen sind, andererseits ebenfalls in ähnlicher Weise gelernt, »archiviert«, emotional aufgeladen wurden.
    Dass von Person zu Person gleichwohl gravierende Unterschiede in der Fähigkeit zu fluchen und Flüche zu verarbeiten, bestehen, muss unbedingt betont werden. Ja, sogar Tagesform und Stimmung entscheiden, ob man Flüche mit einem Lächeln, einem Grollen, einer offiziellen Anklage, einem Schlag oder mit einem Gegenfluch beantwortet.

Kann man nicht fluchen?
    Kleiner Test: 1. Lassen Sie sich von einem Freund oder Partner unvermutet ohrfeigen. Obwohl Sie ihn selbst dazu aufgefordert haben, wird – entsprechende Herzhaftigkeit der Ohrfeige vorausgesetzt – der Fluch- und Schimpfreflex schneller sein als Ihre Kontrollinstanz. 2. Überlegen Sie, wann Sie das letzte Mal geflucht haben und ob Ihnen mehr als fünf Kraftausdrücke einfallen, gern auch in anderen Sprachen. Sehen Sie! Sie gehören zur Familie!
    Wie erwähnt, gab und gibt es in bestimmten Gesellschaften Versuche, das Fluchen, Schimpfen und Schmähen vollständig zu unterdrücken. Wären sie erfolgreich, bräuchte es dieRegeln nicht mehr. Das Verhalten wäre längst ausgestorben. Selbst der Papst, ernsthafte Journalisten auf Sendung oder Psychotherapeuten fluchen in bestimmten Situationen. Das frühe Erlernen und die ebenso frühe emotionale Aufladung der Tabuwörter machen es, in Verbindung mit der Funktionsweise unseres Gehirns, unmöglich, immer fluchfrei zu bleiben.
    Zweifellos lässt sich durch hartes Training viel erreichen. Und es ist natürlich notwendig, soziale und individuelle Regeln für den Umgang mit Tabu- und Schimpfwörtern zu lernen und zu internalisieren. Schließlich können diese andere verletzen und für den Sprecher selbst gefährlich werden. Dafür, was, wann, wo und wie angemessen ist, muss der Einzelne ein Gespür entwickeln. Eltern, die selbst möglichst wenig fluchen, die auf Kraftausdrücke ihrer Kinder wenig oder gar nicht reagieren, vergrößern die Chancen, dass diese seltener ausfällig werden. Ob das jedoch tatsächlich hilfreich ist? Außerhalb des Elternhauses werden die Kinder garantiert mit Schimpfwörtern konfrontiert, und man sollte, soviel steht fest, zumindest die Kulturtechnik kennen, besser noch beherrschen und auf jeden Fall angemessen bewerten können.
    Was sich recht gut beeinflussen lässt, wiederum durch Training, ist die Auswahl der Fluchwörter. Ein historischer Fall gibt darüber Auskunft: Als Jeanne d’Arc 1429 versuchte, die englischen Truppen aus Frankreich zu vertreiben, kämpfte mit ihr Étienne de Vignolles, der besser bekannt war unter dem Namen »La Hire«, was entweder »Die Wut« oder, im Burgundischen, das böse Knurren eines Hundes bedeutete. Seine Tapferkeit, Grausamkeit und Hitzigkeit waren legendär, ebenso seine ausgiebigen und besonders deftigen Kraftausdrücke. Durch Aussagen Pater Jean Pasquerels, aber auch Louis de Contes weiß man, dass Jeanne d’Arc diese, vor allem wenn sie blasphemisch waren, schrecklich fand. Es quälte sie, solche Worte zu hören, weshalb die zotenerprobten Soldatenihres Heers versuchten, in ihrer Nähe darauf zu

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