Holy Shit
Wirkung des Fluchens beim Tennis führte dagegen Tommy Haas bei den Australian Open 2007 vor, als er sich laut und ausführlich selbst beschimpfte und dadurch schließlich motivierte: »So kannst du nicht gewinnen, Hasi. Es geht nicht. So geht’s nicht. So GEHT ES NICHT. Zu schwach einfach. Zu viele Fehler. Zu viele Fehler. Es ist immer das Gleiche. Ich hab keinen Bock mehr. Ich habe keine Lust mehr. Für was mache ich die Scheiße? Für was, für wen, außer für mich selber? Hä? Wieso, weshalb, warum? Ich kann es nicht. Ich kapier es nicht. Ich zahle Leute für, für nichts, für absolut nichts. Damit ich mich aufregen kann. Du bist ein Vollidiot! Schön, wieder nicht rangegangen ans Netz. Aber du gewinnst. Du gewinnst es noch, komm! Du kannst nicht verlieren. Fighten, fighten! Kämpf!« Er gewann das Spiel tatsächlich.
»Würg ihn, Kevin!« Die wütenden Sportlereltern
Man kann sie schon verstehen, die vom Fahrdienst genervten und vom Ehrgeiz zerfressenen Eltern rund um die oft recht runtergekommenen Vereinssportplätze und miefig-muffig-schweißerfüllten Turnhallen dieser Republik. Wie sollte dort nicht Aggression ins Kraut schießen. Ein leidgeprüfter Vater, der viele Stätten angeblich fairen Wettstreits kennengelernt hat, berichtete mir Schreckliches und bestätigte meine eigenen Beobachtungen: Sportlereltern schimpfen leider peinlich einfallslos. Schiedsrichter, die Entscheidungen gegen ihren Nachwuchs treffen, werden natürlich zuerst einmal als »Pfeife«, dann als »Blinder«, schließlich als »Arschloch« oder »Scheißrichter« beschimpft. Solchen »Gestalten« muss man selbstverständlich hilfreich zur Seite stehen, indem man »BÖSES FOUL!« kreischt, fällt der eigene Spross mal wieder über die eigenen Füße. Wenn der selbst hingegen einen Gegenspieler umtritt, dass man das Knacken der Knochen hört, war »ganz klar, Ball gespielt«. Der mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden liegende, nach Luft schnappende Gegenspieler ist im besseren Fall eine »Memme« oder gleich ein »Simulant« oder »Schauspieler«.
Irgendwann freilich schlägt die Wut in Verzweiflung um oder richtet sich auf ein neues Objekt: den debilen Nachwuchs selbst. Wenn der nicht in der Lage ist, die erfolgserlebnisfreie Existenz der gescheiterten Eltern mit siegreichem Tun aufzuhübschen, wird der »Idiot« bemüht und allgemeines Unverständnis darüber kundgetan, dass der Spross die einfachsten Dinge nicht umsetzen kann: »Ich fass es nicht, ich fass es nicht!«; »Er versteht’s einfach nicht.«; »Warum rede ich überhaupt noch, es ja doch keinen Zweck.«; »Wie kann man so einen einfachen Ball verschlagen/verschießen?« Schlimmer noch sind die aufs Hand-, Fuß-, Basketballfeld gebrüllten Ratschläge und Drohungen: »Konzentrier dich endlich!«; »Spiel nicht so einen Scheiß zusammen!«; »Nach vorn, sonst setzt’s was!« Aufmunternde Aufforderungen klingen dagegen direkt verständnisvoll: »Würg ihn, Kevin!«; »Vollen Körpereinsatz!«; oder: »Hau den doch weg, der kann nichts!«
Dass Trainer vieler Sportarten solche und andere »Tricks« – natürlich möglichst unauffällig – anzuwenden lehren und empfehlen, versteht sich. Die Gegenseite arbeitet ja auch nicht mit fairen Mitteln. Das geflügelte Wort zum Thema: »Das Leben ist kein Ponyhof.« Auf den Sportplätzen dieser Republik hat man angesichts der Spieler und ihrer Elternbetreuer eher den Eindruck, es sei eine Schlachtbank.
10.
Rattenarsch, Mistkäfer, Sauhund:
Tierische Flüche
Mein Vater gab oft den Stoßseufzer »Mein Gott, ist dein Tierreich groß!« von sich, wenn ich wieder mal eine »Eselei« begangen hatte. Er konnte sich tierisch aufregen über die »Schweinerei«, die irgendjemand oder -etwas im Garten angerichtet hatte, und langsam fahrenden Frauen rief er wütend zu: »Mondkalb!«
Warum wir so gern Tiere in Flüchen verwenden, welche es über die bekannten »Schwein«, »Hund«, »Rindvieh« hinaus noch gibt, wird in diesem Kapitel beackert; natürlich auch international, denn »Kamel!« heißt in Libyen beispielsweise etwas anderes als bei uns. Ach ja, wenn sich in Japan jemand den Fuß stößt, flucht er: »Tschikuschoh!«, auf Deutsch: »Bestie!« Da wir Menschen uns für die besseren Tiere halten, kann die Bezeichnung aus dem lateinischen »bestia« für »wildes Tier« als Schimpfwort, aber auch als Verstärkungswort dienen. So können wir tierisch erstaunt sein, uns tierisch wohlfühlen oder tierisch sauer sein. Das gilt
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