Holz und Elfenbein
einmal nach draußen musste?
Außerdem störte ihn das schmerzhafte Pochen in seiner Hand. Nun ja, wenigstens musste er sich keine Gedanken mehr darum machen, ob er damit am nächsten Tag Klavier spielen konnte.
»Für eines muss ich Henry auf ewig dankbar sein«, begann Alexis als er Federico so ansah. »Ohne ihn, wäre ich nie nach Genf gekommen und hätte dich nie kennengelernt. So gesehen, war dieses Arschloch der beste Fehler meines Lebens.«
Und dies war wohl die uncharmanteste Liebeserklärung, von der Federico je gehört hatte.
23
Federico konnte sich nicht helfen, er wurde zusehends trauriger als er so an der Reling der Fähre lehnte und beobachtete wie Frankreichs Küstenlinie immer kleiner und kleiner wurde. Jetzt hatte er das Festland verlassen und er fühlte sich wie am sprichwörtlichen Scheideweg in seinem Leben. Hinter ihm, in seinem Rücken befand seine Zukunft, England und Alexis.
Der stand nämlich genau auf der anderen Seite des mächtigen Schiffes und ihm merkte man die Vorfreude deutlich an, endlich wieder den Boden seines Heimatlandes unter den Sohlen spüren zu können.
Natürlich hätten sie auch nach England fliegen können, doch stattdessen waren sie mit dem Auto durch Frankreich gefahren... und hatten dafür fast zwei Wochen benötigt. Alexis‘ Vater hatte sie noch kurz vor ihrer Abreise darum gebeten doch einen kleinen Abstecher in die bekannten Weinregionen im Osten Frankreichs zu unternehmen.
»Wie du vielleicht weißt Alexis, ist unser Weinkeller ziemlich dürftig bestückt und du hattest ja schon immer eine wirklich ausgezeichnete Nase für Wein. Und wenn du schon dabei bist, dann könntest du auch für deine Tante...« So waren sie mit dieser Mission im Hinterkopf zurückgefahren.
Als ob sich Alexis bei den Verkostungen immer nur auf seine Nase verlassen hätte. Die meiste Zeit war Federico gezwungen gewesen den Sportwagen zu fahren, während Alexis ihn dümmlich von der Seite angegrinst hatte, weil er zu viel von den edlen Tropfen probiert hatte. Alexis hatte ihm dabei auch erzählt, dass der frühere Assistent seines Vaters nicht nur ein ausgebildeter Butler gewesen war, sondern ebenso ein leidenschaftlicher Sommelier, der seine Begeisterung an Alexis weitergegeben hatte. Die Saat war dabei wohl auf fruchtbaren Boden gefallen. Ab und zu waren sie an Weinhändler geraten, die Alexis übers Ohr hauen wollten. Welcher Franzose traute auch schon einem Engländer zu, dass dieser sich mit Weinanbau auskennen würde? Nur waren sie da an den falschen Engländer geraten und Federico hatte es genossen zuzusehen wie Alexis mit ihnen gefeilscht hatte. Nebenbei hatte er auch so einige Dinge über Rotwein und Weißwein erfahren und das nächste Geschenk für Alexis würden garantiert einige Flaschen aus dem Weingut von Claudes Onkel sein. Schon damals in Genf war Alexis ja völlig aus dem Häuschen gewesen als ihm Federico erzählt hatte, Claudes Verwandte wären Weinbauern.
Federico müsste wahrhaftig lügen, wenn er behaupten würde, er hätte nicht seinen Spaß während der letzten zwei Wochen gehabt. Dieser improvisierte Urlaub hatte ihnen beiden gut getan. Oft hatten sie sich in kleinen Hotels ein Zimmer für eine Nacht genommen, oder in gemütlichen Pensionen übernachtet. Manchmal hatten sie die lokale Küche ausprobiert, in urigen kleinen Gaststätten. Viel öfters jedoch hatten sie auf ihren Zimmern gespeist: Frisches Baguette, guter Käse, würziger Schinken, exquisiter Wein. Es war das pure Klischee von französischer Lebensart gewesen: Wein, Käse, Baguette und l‘amour . Allein die Erinnerung an diese Abende ließ Federico lächeln. Sie waren unter sich gewesen. Es hatte nur sie beide gegeben und auch keine Termine oder Verabredungen, die sie hätten einhalten müssen.
Gerne würde er mit Alexis so eine Reise noch einmal unternehmen. Auch in ihrer Beziehung hatte sich etwas geändert. Dies lag jedoch weniger an der entspannten Atmosphäre ihrer Reise, denn an diesem Abend als Henry aufgetaucht war. Federico vermochte es nicht genau zu beschreiben, warum und was sich geändert hatte. Vielleicht war es die Tatsache, dass es zum ersten Mal Federico gewesen war, der sich schützend vor Alexis gestellt hatte. So oft hatte Alexis sich um ihn kümmern müssen, ihm seelischen Beistand geboten, doch in dieser Nacht da waren die Rollen vertauscht gewesen. Federico fühlte sich nun eher als gleichberechtigter Partner von Alexis... zumindest auf einer bestimmten Ebene.
Er
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