Holz und Elfenbein
Studienabbruch berichtet hatte, frage sie unvermittelt: »Und wo wird er schlafen?«
Federico blinzelte. Als ob er irgendein Haustier wäre, das Alexis von der Straße aufgesammelt hatte. Er schien den gereizten Ton in ihrer Stimme nicht als Einziger bemerkt zu haben, denn Mary Arrowfield warf ihrer Enkelin einen warnenden Blick zu. Alexis stellte mit einem lauten Geräusch seine Teetasse auf den Unterteller zurück.
»Federico wird neben meinem Zimmer schlafen.«
»Gut, dann sehe ich ihn wenigstens nicht.«
»Michelle!« Mrs Arrowfield warf Federico einen entschuldigenden Blick zu während Catherine irgendetwas in einer ihm fremden Sprache zu ihrer Schwester sagte. Es war wohl etwas nicht sehr Schmeichelhaftes. Alexis schloss sich an und zischte Michelle etwas auf Japanisch zu. Zumindest glaubte Federico, dass es Japanisch war. Konnten die etwa alle drei Japanisch sprechen? Wow.
Michelle zog als Reaktion nur eine Schulter in die Höhe.
»Beachte sie nicht« Alexis legte ihm einen Arm um die Schultern und küsste ihn trotzig auf die Wange. »Wahrscheinlich hat sie nur ihre Tage und ist deshalb so ungenießbar.«
»Pah!« Michelle stand auf und stürmte aus dem Zimmer.
»Was hast du jetzt vor, Federico?«, versuchte Mrs Arrowfield das Gespräch wieder in Gang zu bringen nachdem für eine Minute lediglich das Klirren des Geschirrs im Salon zu vernehmen war.
»Ich dachte, dass ich fürs Erste Klavierstunden gebe. Ich weiß noch nicht, ob mir die Tätigkeit als Lehrer wirklich liegt, doch es wäre das Naheliegendste es einmal auszuprobieren.«
»Geht das mit deiner Hand? So wie ich es verstanden habe, hast du noch immer Schmerzen, nicht wahr?«
»Grandma!« Alexis deutete ein Kopfschütteln an, doch Federico legte ihm beschwichtigend die Hand auf das Knie. Er nahm ihr die Fragen nicht krumm, es war ihr gutes Recht und er musste schließlich auch damit lernen umzugehen. Alexis‘ Großmutter würde nicht die Letzte sein, die ihm Fragen dieser Art stellte.
»Ich kann sicher keine Beethovensonate spielen und von Chopin und Czerny wollen wir gar nicht reden, doch für den Unterricht sollte es noch reichen. Außerdem ist es nur meine rechte Hand, die mir solche Probleme macht.«
»Mhm.« Mrs Arrowfield lehnte sich zurück und legte sich einen Finger ans Kinn. »Ich kenne zufällig die Leiterin der hiesigen Musikschule. Sicher, es ist nur eine kleine Schule, aber gute Klavierlehrer sind immer gesucht. Ich könnte...«
»Bitte, ich...«, unterbrach Federico die alte Dame brüsk und etwas heftiger als ursprünglich beabsichtigt. Er räusperte sich: »Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich würde gerne selbst mit ihr reden. Es wird nicht nötig sein, dass Sie für mich Partei ergreifen.«
»Es würde mir keine Umstände bereiten.«
»Verzeihen Sie, aber ich möchte es aus eigener Kraft schaffen und nicht auf Grund irgendwelcher Empfehlungen eingestellt werden.« Federico hatte sich wieder im Ton vergriffen und die Worte klangen regelrecht anklagend, selbst Alexis hatte vor Schreck die Luft angehalten. Betreten senkte Federico den Blick und rührte aus Verlegenheit mit seinem Teelöffel in der Tasse herum. Sollte er sich jetzt erneut entschuldigen?
»Nein, es war völlig in Ordnung«, versicherte ihm Alexis als sie nach dem Tee auf ihre Zimmer gegangen waren. Man hatte ihre Taschen und Koffer, die von der Spedition bereits seit Wochen geliefert worden waren, in die Zimmer gestellt. Doch bevor sie beide die leidige Aufgabe des Auspackens und Aufräumens in Angriff nahmen, hatten sie sich eine Auszeit auf Federicos Bett gegönnt und über den Nachmittag geredet. Ganz unschuldig, sie hatten noch alle ihre Kleider an und jederzeit hätte jemand ins Zimmer spazieren können, ohne sie in eine peinliche Situation zu bringen. Federico war sogar für eine halbe Stunde eingenickt, schließlich hatte er auch zu viele Eindrücke zu verarbeiten.
Jetzt blickte er zur Decke des Gästezimmers, das von nun an ihm gehören würde. Das Zimmer war gut und gern doppelt so groß wie die gesamte Wohnung, die er sich mit Claude im Studentenwohnheim geteilt hatte. Er hatte sogar ein eigenes Badezimmer und einen Kamin, der jetzt natürlich nicht in Betrieb war. Doch ganz so wie Alexis es versprochen hatte, stammte die Einrichtung nicht aus dem 18. Jahrhundert. Zu seiner Überraschung war Alexis‘ Zimmer, das genau neben dem seinen lag, sehr modern und puristisch mit asiatischen Anklängen eingerichtet. Eben keine Innenausstattung, die
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