Holz und Elfenbein
Werktage in London verbringen, wo er sein Studium wieder aufgenommen hatte. Er hätte sich nicht auf seine Kurse konzentrieren können, wenn er nicht gewusst hätte, ob es Federico hier in England gut ging. Federico hatte fürs Erste eine halbe Stelle als Klavierlehrer bekommen. Es tat ihm gut eine Aufgabe zu haben und auch etwas Geld zu verdienen. Alexis hatte keinerlei Zweifel, dass Federico bald eine ganze Stelle bekommen würde, er war ein guter Lehrer und seine Schützlinge mochten ihn. Federico hatte eindeutig mehr Geduld zum Lehren als Alexis.
Ob Federico allerdings glücklich damit war, das wusste Alexis nicht und er wollte Federico auch nicht danach fragen... noch nicht. Doch eines fiel ihm auf: Federico klagte zwar nicht über Schmerzen in seiner Hand, jedoch nahm er wieder häufiger Tabletten.
24
Unschlüssig musterte Federico den zweiten Pizzakarton in seiner Hand. Zur Not konnte er ja auch zwei Pizzen vertilgen, falls Michelle sich tatsächlich weigern sollte mit ihm gemeinsam zu essen. Bis jetzt hatte ihn Alexis‘ Schwester immer dumm angemacht, wenn er versucht hatte sich mit ihr zu unterhalten. Und Federico überhörte geflissentlich die Aufforderungen von Mrs Arrowfield, dass Michelle doch etwas freundlicher und aufgeschlossener ihm gegenüber sein sollte.
Nein, er würde guten Willen beweisen, für sie ebenfalls eine Pizza in den Ofen schieben und dann höflich fragen, ob sie etwas davon wollte.
Während er auf dem Tisch der Küche saß und in den Backofen starrte, dachte er darüber nach, wie schade es war, dass Alexis dieses Wochenende in London blieb. Normalerweise verbrachten sie die Wochenenden hier gemeinsam auf dem Land und ihnen beiden fiel es schwer am Sonntagabend wieder voneinander Abschied zu nehmen. Doch es war eine durchweg vernünftige Entscheidung gewesen, dass Federico hier geblieben war und nicht mit Alexis in London lebte. Zum einen würde Alexis‘ Studium bald beendet sein und mit Sicherheit würde er zum Sommer hin sein Examen ablegen. Eine recht begrenzte Zeit also, ihre Trennung, wenn man es denn so nennen wollte. Zum anderen hatte es auf Federico einen nicht ganz nachvollziehbaren Reiz ausgeübt auf dem Land zu leben, eine gänzlich andere Erfahrung als seine letzten Jahre, die er in Genf verbracht hatte.
Außerdem war es viel leichter gewesen hier eine Stelle als Klavierlehrer zu ergattern als in der Großstadt London und nur weil Alexis und er jetzt ein Paar waren, mussten sie ja nicht 24 Stunden und sieben Tage in der Woche aufeinandersitzen. Federico wollte sich selbst beweisen, dass er auf eigenen Beinen stehen konnte, trotz seines Handicaps und er brauchte diese Unabhängigkeit. Auch wenn es hart war dadurch auf seinen Partner verzichten zu müssen.
Apropos Handicap. Er ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Wieder blieb der Ringfinger gekrümmt und erst nachdem er ihn mit seiner anderen Hand nach außen bog, schnellte er gerade. Das war ihm bereits in Genf passiert. Die Entzündung war erneut schlimmer geworden, die Sehne mittlerweile wieder so geschwollen, dass sie nicht mehr widerstandslos durch ihren Kanal gleiten konnte, was die Bewegung seines Fingers stocken ließ. Alexis wusste noch nichts davon und Federico hatte auch keinen Mut es ihm zu sagen. Wahrscheinlich würde Alexis dann sogar von London hierher kommen und sein Studium ihm zuliebe vernachlässigen.
Doch bevor er weiter diesen düsteren Gedanken nachhängen konnte, gab die Abschaltautomatik des Backofens ein durchdringendes Piepen von sich. Die Pizzen waren fertig.
Er stellte die Teller in das Esszimmer und ging dann nach oben um Michelle zu suchen. Auf dem Weg dorthin kam er auch an jenem Gemälde von Alexis‘ Urahn vorbei, das ihm Alexis in einem seiner Bücher gezeigt hatte. Der berühmt berüchtigte Offizier der englischen Armee, der angeblich schwul gewesen sein sollte. Wie jedes Mal, wenn Federico die Treppe hinaufging, musterte er das Porträt und wie jedes Mal konnte er sich eines unbehaglichen Schaudern nicht erwehren. Ihm war als ob Alexis selbst von dieser Leinwand herab starren würde. Alexis sah seinem Ur-ur-ur-Großvater nun einmal verblüffend ähnlich, das mochte sein Partner noch so oft abstreiten.
Die Tür zu Michelles Zimmer stand offen und doch klopfte Federico vorsichtshalber an den Türrahmen.
»Michelle? Ich habe zwei Pizzen in den Ofen geschoben, willst du... Hast du etwa Nasenbluten?«
Sie war gerade von ihrem Schreibtisch aufgestanden und presste sich in einer
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