Holz und Elfenbein
gebrauchen zu können.
»Wir können nicht einfach so nach London fahren.«
»Warum denn nicht?« Federico zog die Schultern nach oben. »Wegen deiner Großmutter?« Mrs Arrowfield befand sich doch selbst auf einer Theaterfahrt und würde erst mitten in der Nacht zurückkommen. Sie würden der alten Dame einfach einen Zettel hinlegen.
»Wir wären gerade rechtzeitig dort sobald es in den Clubs interessant wird.« Durch seine älteren Klavierschülerinnen war Federico mittlerweile ziemlich gut darüber informiert welches die angesagten Lokale in der Hauptstadt waren. »Wir nehmen deinen Wagen und dann übernachten wir einfach bei Alexis, falls wir nicht mehr heimfahren möchten.« So würde er Alexis vielleicht doch noch an diesem Wochenende sehen.
Die Freude über diese Möglichkeit schien man ihm ziemlich deutlich anzusehen, denn Michelle ließ nur ein vielsagendes »Hmpf.« von sich hören, in das man genauso gut ein »Mensch bist du selbstlos« hineininterpretieren konnte.
Hatte sie sich anfangs noch geziert und fast Ewigkeiten gebraucht bis sie etwas Passendes zum Anziehen gefunden hatte, so schien sich Michelle jetzt prächtig zu amüsieren, soweit Federico das beurteilen mochte. Gerade bekam sie schon wieder einen Drink spendiert und quittierte diese Aufmerksamkeit mit einem scheuen Lächeln, als ob sie nicht wüsste, was für eine Wirkung sie damit auf Männer hatte. Nein, wahrscheinlich wusste sie es wirklich nicht. Sie war attraktiv und hatte die Haltung einer geborenen Königin. Ihr Hüftschwung auf der Tanzfläche jedoch wirkte durch und durch verrucht. Auch wenn Federico sich ziemlich sicher war, dass Michelle keine Leichtsinnigkeit begehen und sich von irgendeinem Typen abschleppen lassen würde, hielt er es doch für angebracht ein Auge auf sie zu haben. Alexis würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, falls einer seiner kleinen Schwestern etwas zustoßen würde.
Natürlich entging ihr das nicht und als sie beide an der Bar standen, meinte sie: »Die Jungs da drüben starren dich die ganze Zeit schon an. Warum gehst du nicht zu ihnen und hast auch ein bisschen Spaß?« Womöglich wollte sie ihren Bewacher für einige Zeit loswerden.
Federico hatte gedacht, er hätte sich diese Blicke nur eingebildet, oder falsch interpretiert. »Meinst du, die sind schwul?«
»Oh Mann.« Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und kippte ihren Cocktail hinunter. »Wenn die nicht schwul sind, dann weiß ich auch nicht.« Sprach es, und war schon wieder auf der Tanzfläche verschwunden.
»Mhm«, machte Federico und sah ihr nach. Dann jedoch richtete er seine Aufmerksamkeit auf die besagte Gruppe von fünf Männern, die am anderen Ende der Bar standen. Gerade als er sie näher in Augenschein nahm, blickte ihn einer der Fünf an. Entgegen seiner Gewohnheit wandte Federico dieses Mal nicht den Blick ab, sondern starrte ihn ebenso so an, einem Impuls folgend neigte er den Kopf zur Seite und zog die Augenbrauen hoch.
Warum auch nicht, er konnte ja auch einmal ein bisschen flirten. Daran war ja nichts Verbotenes. Er konnte es nicht glauben, als sich der Typ daraufhin von der Gruppe löste und tatsächlich zu ihm herüberkam. Dem Aussehen nach musste er ein Sportler sein: Breite Schultern, übermuskulöser Körper. Ein weißes T-Shirt spannte sich über die eindrucksvollen Brustmuskeln und Bizeps. Nein, kein gewöhnlicher Sportler. Wohl eher ein Bodybuilder mit einem Hang zu Steroiden.
› Okay, Federico. Was tust du hier eigentlich?‹, fragte er sich in Gedanken. ›Du flirtest mit einem wandelnden Apothekenschrank!‹
»Hi. Wie läufts?«, sprach der Apothekenschrank und es war wohl kein Zufall dass seine festen Oberschenkel sich so nahe an Federicos Hüfte vorbeischoben.
»Gut.«
»War das deine Freundin?« Jetzt bestand wohl kein Zweifel mehr, dass er beobachtet worden war. Anscheinend war es unter Schwulen üblich gleich zur Sache zu kommen. Federico hatte auf diesem Gebiet ja noch überhaupt keinerlei Erfahrung gesammelt.
»Nein.« Federico gestattete sich die Genugtuung das plötzliche optimistische Aufflackern auf dem Gesicht seines Gegenübers zu studieren. »Nur die Schwester meines... Freundes.« Das Wort klang eindeutig zweideutig und Federico hatte dies noch nicht einmal beabsichtigt.
Da grinste sein Flirt und noch einmal wurde Federico eingehender gemustert. Sie tauschten ein paar Nettigkeiten aus und Federico bekam leider mit zunehmender Länge des Gesprächs den Eindruck, dass sich
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