Holz und Elfenbein
man in einem alten Anwesen vermuten würde. Mit Sicherheit war auch hier ein Innenarchitekt am Werk gewesen.
»Meine Großmutter schätzt es geradezu, wenn jemand seine Gedanken frei äußert und sich alles andere als duckmäuserisch verhält. Du hast deinen Standpunkt vertreten und sie war von dir sehr beeindruckt.«
Diese Äußerung veranlasste ihn seine Musterung der Holzdecke abzubrechen. »Habe ich jetzt nicht gerade bemerkt, dass ich solchen Eindruck gemacht habe.«
»Hm, aber ich.« Alexis legte das Buch zur Seite, in welchem er geblättert hatte während Federico eingeschlafen war und beugte sich zu ihm herüber. Er küsste ihn zärtlich.
»Und was ist mit Michelle?«
Alexis stöhnte gequält. »Ignorier sie am besten, so wie ich auch.«
»Wenn es Probleme gibt, weil ich hier wohne, dann kann ich auch bei dir in London unterkommen.« Sobald Alexis seine Orgelstudien wieder aufgenommen hatte, würde er sich die meiste Zeit in London, in seiner eigenen Wohnung, aufhalten. Natürlich hätte Federico auch dort bleiben können, doch die Aussichten auf eine Anstellung waren hier ›auf dem Land‹ besser.
»Unsinn, es gibt keine Probleme! Michelle und Catherine werden sowieso bald von hier verschwinden. Ich glaube, Mitch geht sogar nach New York für ein paar Monate.« Alexis setzte sich auf und stützte das Kinn in die Hand. »Sie ist sehr ehrgeizig und zielstrebig, das war sie schon immer. Wo andere Mädchen auf Partys gegangen sind, blieb sie immer zu Hause und hat gelernt. Nicht umsonst war sie stets eine der Besten ihres Jahrgangs.«
»Wie eine Stubenhockerin wirkt sie aber nicht auf mich.«
»Ich sag ja nicht, dass sie immer nur in ihrem stillen Kämmerlein gesessen ist. Das durchaus nicht. Natürlich ging sie auch mal aus, aber sie hat ihre Prioritäten gesetzt.« Alexis lächelte als er sich an etwas ganz Bestimmtes erinnerte. »Als sie noch auf der Schule war, hat sie einmal gesagt, dass sie für einen Freund jetzt noch keine Zeit hätte. Aber ich glaube, mittlerweile bereut sie es und meint in ihrem Leben etwas verpasst zu haben.« Er schüttelte den Kopf. »Dabei kann sie doch wirklich stolz auf sich sein, was sie schon alles erreicht hat!«
»Ich sehe immer noch nicht, wo dann das Problem mit mir liegt.«
»Du bist mein Freund, wir leben zusammen. Du erinnerst sie daran, was ihr bis jetzt entgangen ist. Die Kleine hatte noch keine ernsthafte Beziehung mit einem Mann, dieser Umstand beschäftigt sie mehr als sie je zugeben würde. Aber sprich sie bloß nicht darauf an. Und wenn du eine Frau wärst, dann wäre sie wahrscheinlich noch unausstehlicher. Sie wird sich wieder beruhigen. Vielleicht hat sie wirklich ihre Tage... Das ist übrigens das Totschlagargument, wenn du gegen drei Schwestern bestehen willst. Wirf ihnen an den Kopf, dass ihre Hormone verrückt spielen. Gut, dann werden sie etwas nach dir werfen... Mary-Alice hat mir tatsächlich mal den ersten Band von Herr der Ringe an den Kopf geworfen, was doch glatt eine Platzwunde gab... Aber dann ist in der Regel Ruhe.«
»Hoffentlich muss ich darauf nicht zurückgreifen.« Federico wollte nicht von Michelle oder Catherine mit Büchern oder sonst etwas getroffen werden. »Ich nenne sie wohl besser auch nicht ›Mitch‹.«
»Nein, besser nicht.«
»Und jetzt?«
Alexis sah sich im Zimmer um und atmete mit einer gewissen Resignation tief ein. »Es hilft wohl nichts, wir sollten anfangen auspacken.« Er gab Federico nochmals einen Schmatzer auf die Stirn. »Komm!«
In den folgenden Wochen lebte sich Federico immer mehr bei den Arrowfields ein und im Gegenzug gewöhnten diese sich an ihren neuen Mitbewohner. Federico war darüber sehr erleichtert, doch niemand freute dies so sehr wie Alexis, zu sehen, dass sein Freund von den übrigen Familienmitgliedern akzeptiert wurde. Alexis hatte sich zu keiner Zeit große Sorgen darum gemacht, ob seine Großmutter Federico akzeptieren würde. Aber zu sehen, dass die beiden sich so gut verstanden – Mary nahm Federico neuerdings sogar mit zu den wöchentlichen Bridgerunden mit ihren Freundinnen - war für ihn eine große Erleichterung. Nichts Schlimmeres als Verwandte, die etwas gegen den Freund hatten. Das hatte er bereits am eigenen Leib erfahren müssen. Grandma Mary hatte Henry damals geradezu aus dem Haus geekelt. Nun, im Nachhinein war das vielleicht auch kein Fehler gewesen, wenn er allein daran dachte, wie ihre Beziehung geendet hatte.
So konnte Alexis auch mit einem guten Gewissen die
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