Holz und Elfenbein
verärgert stand er auf. Alexis konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen wer das sein mochte, außer einem Betrunkenen, der die Hausnummer verwechselt hatte.
Mit dem Prädikat ›betrunken‹ lag er jedenfalls nicht so weit daneben.
»Hi Alexis!« Michelles Stimme drang unangenehm laut aus dem Hörer der Sprechanlage und tatsächlich hielt es Federico – dies war eine sehr angenehme Überraschung - für angebracht die junge Dame zu stützen als sie wenig später aus dem Fahrstuhl stiegen.
»Hoppla!« Der Absatz von Michelles linkem Schuh verfing sich in der Tür des Fahrstuhls und kurzerhand schlüpfte sie aus den Pumps und ging auf Strümpfen weiter. Alexis fasste sie unter dem Arm während Federico den Schuh davor bewahrte von der Tür zerquetscht zu werden. Er schien sich nicht entscheiden zu können, ob er lachen oder weinen sollte bei dem Anblick und Benehmen von Alexis‘ Schwester.
»Ich hatte schon Angst, du wärst auch ausgegangen, weil sich zuerst niemand gemeldet hat.« Federico wirkte irgendwie betreten, Alexis konnte sich denken, dass Michelle recht anstrengend gewesen war.
»Ich habe noch Orgel gespielt.« Alexis ließ Michelle auf der Couch im Wohnzimmer nieder und half ihr aus dem Trenchcoat.
Federico klang entschuldigend und blickte ihn nicht einmal richtig an als er meinte: »Eigentlich war es meine Idee.«
»Dass Michelle sich zulaufen lässt war deine Idee?«
»Ich bin nicht betrunken!« Diesen Einwurf der Schuldigen beachteten sie besser nicht und auch nicht die Tatsache, dass sich Michelle fast mit einem ihrer Ohrringe in dem Kragen ihres engen Strickkleids verhedderte. War Strick etwa wieder ›in‹ in dieser Saison?
Alexis half ihr das Kleid über den Kopf zu ziehen, doch bevor sie auch noch das Shirt darunter auszog, drückte er ihr eine Flasche Wasser in die Hand.
»Nein, das direkt nicht. Ich wollte sie aufheitern und habe vorgeschlagen, dass wir nach London fahren und uns ein bisschen amüsieren.«
»Scheint dir gelungen zu sein. Ich habe Michelle noch nie heiterer erlebt... Aua!« Ganz so betrunken schien Michelle in der Tat nicht zu sein, denn sie hatte gerade einen äußerst schmerzhaften Hieb auf seiner Wade platziert.
»Ich geh jetzt duschen!«, verkündete sie, stand beherzt auf, knallte die Wasserflasche auf den Tisch und tappte in Richtung Badezimmer davon.
»Aber schließ die Tür nicht ab, falls ich dich nachher vom Boden aufsammeln muss«, rief ihr Alexis noch nach, was sie nur mit einem koketten Hüftschwung beantwortete, der sie bedenklich schwanken und schließlich gegen die Wand stolpern ließ.
Sobald sie alleine waren zog Alexis Federico an sich. »Aber ich freue mich doch immer dich zu sehen.« Er küsste Federico, doch der trat gleich einen Schritt zurück.
»Ich könnte noch einen Whisky vertragen«, seufzte er und schenkte sich einen großzügigen Schluck ein sobald ihn Alexis wieder losgelassen hatte.
»Was hast du?« Das sah gar nicht nach dem Federico aus, den er kannte.
Doch bevor sich Federico geruhte zu antworten, verkorkte er zuerst die Flasche und als er dann anhob zu reden, meldete sich Michelle aus dem Badezimmer: »Alexis, mein Bruderherz, was soll ich überhaupt zum Schlafen anziehen? Ich kann auch nackt schlafen...«
»Gott bewahre!«
Unschlüssig setzte sich Federico auf das große Doppelbett, das in Alexis‘ Schlafzimmer stand und sah seinem Freund dabei zu, wie dieser eine halbwegs passende Garderobe für Michelle zusammenglaubte. Die weite Hose des Pyjamas, die Alexis gerade mit kritischem Blick musterte, würde Michelle mehrmals umschlagen müssen, um damit nicht zu stolpern und das T-Shirt würde bei ihr fast schon als Nachthemd durchgehen. Aber Michelle durfte heute Nacht auch nicht wählerisch sein und bevor sie wirklich im Evaskostüm schlief...
»Ich bringe ihr die Wäsche und holst du mir auch noch einen Whisky?« Alexis lächelte ihn mit diesem unglaublich süßen Lächeln an und Federico fragte sich, wie vielen Männern Alexis in diesem Zimmer schon ein solches Lächeln geschenkt hatte. Denn da machte er sich nichts vor, er war ganz gewiss nicht der erste Mann, den Alexis hier in diesem Bett schlafen ließ. Doch bis jetzt hatte er es tunlichst vermieden Alexis auf seine früheren Lover anzusprechen. Heute Abend würde sich das wohl nicht ganz vermeiden lassen. Nicht Anbetracht der Sache, die Federico zu beichten hatte. Zu seiner Schande musste Federico sich eingestehen, dass er es sogar in Erwägung gezogen hatte,
Weitere Kostenlose Bücher