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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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Projekt gesteckt und der Großteil der Arbeit war auch getan. Doch alles noch einmal zusammenzuschreiben, zu prüfen und redigieren, da graute ihm davor.
    »Meintest du nicht, dass Frank jetzt in Deutschland promovieren möchte?«
    »Er hat es zumindest vor, weiß aber noch nicht, ob er eine Stelle bekommt.« Frank, sein alter Sandkastenfreund, Kumpel und erster Mann, der ihm einen Blowjob und noch so manches mehr verpasst hat.
    »Unsere Cousine promoviert übrigens auch.«
    »Ist nicht wahr? In was denn bitteschön?«, grummelte Alexis in sein Glas hinein. Jetzt wollte auch schon seine Cousine, eine Sozialwissenschaftlerin, einen Doktortitel ablegen. »Macht sie zwei Dutzend Interviews und das geht dann schon als Dissertation durch!«
    »Alex!« Mary-Alice stieß ihn in die Seite ob dieser boshaften Bemerkung.
    »Du ziehst das durch!«, bescheinigte sie ihm aber dann und nickte zu Bestätigung kräftig mit dem Kopf, wie einer dieser Wackeldackel, die sich manche Leute ins Auto stellten.
    Mitten in die Stille hinein, hörten sie plötzlich Klavierspiel und keine Minute später das – zugegeben leicht genervt klingende – Gerede des Kindermädchens.
    »William ist ganz aufgekratzt, weil du hier bist. Eigentlich sollte er längst schlafen«, bemerkte Mary-Alice und seufzte. »Geh du zu ihm und schau zu, dass du ihn ins Bett bekommst.«
    Alexis war schon dabei aufzustehen und stellte sein Glas auf den Couchtisch, dann hielt er inne. »Moment mal, warum spielt er das Wohltemperierte Klavier?« Jetzt erkannte Alexis nämlich, was für ein Stück sein Neffe da spielte.
    »Hat Federico ihm das wieder beigebracht? Ich weiß, dass Federico ihn gerne fördern möchte, aber«, bevor er diese Tirade weiter ausführen konnte, legte ihm seine Schwester beruhigend die Hand auf den Arm.
    »Nein, es war nicht Federico. Sie waren kürzlich in der Stadt einkaufen, William und Eric. William hat eine Ausgabe des Wohltemperierten Klaviers in einem Musikgeschäft gesehen und wollte es unbedingt mitnehmen. Er hat dann einfach begonnen daraus zu spielen.« Mittlerweile würde William mindestens eine Stunde am Tag vor dem Klavier sitzen. Freiwillig, wie Mary-Alice betonte. Sie glaubte, dass ihr Sohn bald mit der Idee aufwarten würde, dass er professionellen Unterricht haben wollte.
    Alexis war hin- und hergerissen. Sein Neffe spielte gerade ein Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier. Es war ein Standardwerk für alle angehenden Pianisten, geschrieben von Johann Sebastian Bach höchstselbst. Und sein kleiner Neffe hatte es sich selbst beigebracht! Aber dennoch hatte Alexis auch seine Bedenken, ob es gut war den Jungen schon so früh in diese künstlerische Richtung zu drängen. Federico war da anderer Meinung, er hätte William schon längst in ein Internat gebracht oder wenigstens mit dem entsprechenden Privatunterricht gefördert. Gerade Federico, der diesen Drill und die nötige Disziplin seit Kindesbeinen erfahren hatte, verlangte sie genau so auch von Alexis‘ Neffen. Dabei hätte Alexis gerade von seinem Partner eine etwas freiere, unverkrampftere Einstellung erwartet. Mary-Alice ahnte es vielleicht nicht, doch sie hatten sich schon ein paar Mal über William und seine mögliche zukünftige Karriere als Konzertpianist zerstritten.
    Natürlich wusste auch Mary-Alice, wie er zu diesem Thema stand.
    »Er macht es freiwillig!«, betonte sie und lauschte dem Spiel ihres Sohnes. Alexis erwiderte nichts darauf. Seiner Meinung nach, machten Kinder in diesem Alter so etwas nicht freiwillig, auch wenn sie es betonten. Eher war es wohl so, dass William seinem Onkel oder Federico nacheifern wollte.
    »Außerdem ist er talentiert!« Natürlich. Sie war in erster Linie Mutter und ganz angetan von ihrem Kleinen. Das war nur verständlich.
    »Nur, weil man Talent hat, heißt das noch nicht, dass man etwas auch gerne macht. Ich habe auch ein Talent für höhere Mathematik und war mit dem Mathematikstudium nicht zufrieden«, murrte Alexis. Er wollte William alles ermöglichen, alle Wege offenlassen, wie dessen Eltern nur das Beste für ihn wollten. Doch er glaubte in diesem Punkt etwas mehr Urteilsvermögen und Weitsicht zu haben als Mary-Alice und ihr Mann.
    »Aber ich habe Angst, dass ihm so etwas widerfährt wie Federico.«
    »Ich glaube, wir reden hier von ganz anderen Umständen. Du bist ja immerhin auch ganz normal geworden - größtenteils zumindest.« Sie grinste ihn an. Nein damit spielte sie nicht auf seine sexuellen Neigungen an,

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