Holz und Elfenbein
sondern eher auf seinen Uhren- oder Weintick. Aber alles in allem musste Alexis ihr recht geben.
Nichtsdestotrotz ging er dann zu William und scheuchte ihn ins Bett. Jedoch nicht, ohne ihm das Versprechen geben zu müssen, sich mit ihm morgen in aller Frühe ans Klavier zu setzen und natürlich auch die Aufzeichnung von Federicos Konzert in St. Petersburg am nächsten Abend gemeinsam anzusehen. Das besagte Konzert war leider nicht live ausgestrahlt worden. Verständlich, denn nur selten wurde einem klassischen Konzert solch eine Aufmerksamkeit zuteil. Wenn es nicht gerade das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker war oder ähnlich prestigeträchtige Veranstaltungen. Aber zumindest war das Konzert aufgezeichnet worden und ein dänischer Kultursender strahlte es aus.
Alexis wusste bereits, dass es recht gut gelaufen war. Wobei ›recht gut‹ noch Federicos eigenes Urteil gewesen war. Musiker von Federicos und Alexis‘ Kaliber waren selten einmal zufrieden mit ihren Auftritten. Sie fanden immer noch einen Triller, der hätte schneller ausgeführt werden sollen, oder eine Phrase, die besser hätte betont werden müssen. Aber deshalb waren sie auch so gut. Alexis war unheimlich nervös als die Sendung mit einem Kameraschwenk durch das pompöse Konzerthaus begann und man den Applaus aus den Lautsprechern vernahm als Federico die Bühne betrat. Bei der Nahaufnahme von Federico musste Alexis unwillkürlich breit grinsen. Sein Partner war noch vor dem Konzert bei einem Friseur gewesen. Die Haare waren beträchtlich kürzer geworden. Federico sah so unverschämt gut aus im schwarzen Frack. Alexis seufzte bei dem Anblick und Mary-Alice lachte bei dieser offenen Zurschaustellung von Verliebtheit.
William, der direkt vor dem Fernsehen auf dem Boden saß, drehte sich zu ihnen um und fragte unschuldig, was denn los wäre. Alexis bedeutete ihm, dass er sich lieber auf das Konzert konzentrieren sollte. »Wieso warst du eigentlich nicht dabei?«, wollte der Kleine wissen.
»Ich hatte in Deutschland zu tun und außerdem hat es Federico nicht gern, wenn ich bei solchen Premieren dabei bin. Mir geht es ähnlich, wenn ich ein neues Konzertprogramm spiele. Ich fand es damals immer besonders nervenaufreibend, wenn unsere Eltern bei den Konzerten anwesend waren.«
»Das hast du nie gesagt!«, warf Mary-Alice ein.
Alexis zog die Schultern nach oben. »Man gewöhnt sich daran, es macht mir mittlerweile nichts mehr aus. Aber Federico ist da noch etwas sensibler. Vielleicht legt sich das einmal, vielleicht auch nicht. Um ehrlich zu sein, ich wäre wahrscheinlich weitaus aufgekratzter und nervöser als er selbst.«
Dann begann das Konzert und sie alle schwiegen ehrfürchtig.
»Oh Mann, das ist so cool!«, hauchte William nach dem ersten Satz und mit großen Augen. Alexis selbst empfand ähnlich, auch wenn er sich wahrscheinlich anders ausgedrückt hätte. Federico in der Nahaufnahme zu sehen, sein konzentriertes Gesicht, die schlanken Hände, deren Finger sich so leicht und mühelos über die Tasten des Flügels bewegten. Als ob es nichts weiter wäre als eine harmlose Etüde, kein Klavierkonzert von Mozart vor einem ausverkauften Haus. Das Zusammenspiel zwischen Pianist und Orchester war ebenfalls perfekt. Sie agierten wie ein großer harmonischer Klangkörper und doch nutzte Federico das Konzert dazu seine eigene Klasse herauszustreichen, satt sich hinter dem Orchester zu verstecken.
Der Beginn des dritten Satzes des Klavierkonzerts war so typisch für die Musik Mozarts: So leicht und unbeschwert, wie ein Sahnesoufflé, ein Vergleich, den Alexis aber nie laut aussprach. Wie immer blieb Federico ruhig vor dem Flügel sitzen. Er gehörte zu jenen Pianisten, die kaum ihren Körper beim Spielen bewegten. Dafür sprach Federicos Gesicht oft Bände, gerade wenn er sich sehr auf die Musik konzentrierte und nicht auf seine Mimik achtete. Jetzt lachte er. Man sah ihm die unbeschwerte Freude an, andere hätten nun vielleicht versagt, wären aus dem Takt gekommen oder hätten die Noten vergessen, weil durch das Lachen die Anspannung auf einmal verpufft war. Nicht so Federico. Diese jugendliche Unbekümmertheit, den offensichtlichen Spaß am Musizieren, das war anziehend, verlockend, es steckte an. Selbst der alte Dirigent auf seinem Pult vor dem Orchester lächelte verschmitzt als er zu Federico hinübergesehen hatte.
So waren die stehenden Ovationen am Schluss des Konzertes nun wahrlich nicht verwunderlich. Federico selbst schien ganz
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