Holz und Elfenbein
Federico mittlerweile wirklich gut bei seinen Auftritten. Anscheinend war das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht. Federico musste sich längst keinerlei Sorgen mehr um seinen Lebensunterhalt oder Bankkonto machen. Seine Gagen übertrafen die von Alexis schon um Längen. Nichtsdestotrotz war Federico immer noch darauf bedacht zu sparen und dass sie sich die Ausgaben in Bezug auf ihre Wohnung, den Nebenkosten und was sonst noch anfiel genauestens teilten. Auch in diesem Punkt hatte sich Federico emanzipiert, er war nicht mehr länger auf Alexis' Vermögen angewiesen, wie es am Anfang ihrer Beziehung leider der Fall gewesen war. Nicht, dass Alexis diese Abhängigkeit je für gut befunden hatte, doch irgendwie – so blöde das jetzt klang – es war auch eine Sache gewesen, die sie zusammengeschweißt hatte. Jetzt war jeder finanziell unabhängig und auch wenn Alexis es nie zugeben würde und sich diesen Gedanken strikt verbot, ein kleiner, rational denkender Teil in seinem Hirn rechnete damit, dass ihn Federico irgendwann sitzen lassen würde, weil er nicht mehr auf Alexis' Geldbörse angewiesen war.
› Himmel noch mal, was ist eigentlich mit mir los!‹, schallte er sich selbst in Gedanken. Federico war es nie um das Geld gegangen. Nichts hatte seinem Partner mehr widerstrebt als Geld von Alexis anzunehmen. Störte es ihn etwa, dass Federico auf seinem Gebiet mehr Erfolg hatte als Alexis? Gönnte er etwa Federico den Erfolg nicht?
3
»Du hast eine Midlifecrisis.«
»Und du bist betrunken.« Alexis warf der leeren Champagnerflasche auf dem Couchtisch einen bedeutungsschwangeren Blick zu.
»Ach! Ich bin höchstens etwas beschwipst«, fegte seine Schwester Mary-Alice diese Bedenken beiseite.
»Ich habe keine Midlifecrisis!«, beeilte sich Alexis zu betonen und lehnte sich tiefer in die Couch zurück. Das wäre ja noch schöner. Er war doch kein ausgebrannter Yuppie. Außerdem war er erst 28. Da hatte man noch keine Lebenskrise und fürchtete einem würden die Felle davonschwimmen.
»Lass mal sehen.« Mary-Alice tat so als ob sie eine imaginäre Liste abhaken würde. »Du erzählst mir jetzt zwei Stunden lang was du in deinem Leben erreicht hast und was Federico erreicht hat. Du jammerst mir vor, dass seine Gagen mittlerweile dreimal so hoch wie deine sind, dass du dich nicht ausgelastet fühlst, rastlos und auf der anderen Seite meinst, dass du auf der Stelle trittst.« Sie nahm noch einen Schluck Champagner. »Hört sich für mich nach einer Midlifecrisis an.«
»Gut, ich bin mit der gegenwärtigen Situation nicht ganz zufrieden«, bekannte Alexis. Er hätte es nie gedacht, dass es ihm einmal so dermaßen zu schaffen machte, dass Federico auf seinem Feld so viel erfolgreicher war. Gut, Erfolg konnte man auf vielerlei Arten bemessen. Eine Art war eben die Höhe der Gagen für ein Konzert. Aber auf der anderen Seite war dieser Vergleich auch nicht gerecht, denn Pianisten hatten schon immer ein höheres Prestige und größere Nachfrage generiert als die Organisten. Alexis war ja auch nicht gerade untätig gewesen in dem vergangenen Jahr, das er und Federico in Russland verbracht hatten. Er hatte zahlreiche Konzerte in ganz Europa gegeben, hatte einige interessante Kontakte zu Orgelbauern in Frankreich und Deutschland geknüpft. Man schätzte seine Expertise. So weit, so gut.
Federico hatte im gleichen Jahr einen der renommiertesten Klavierwettbewerbe der Welt gewonnen, nachdem ihn die Kritiker komplett abgeschrieben hatten. Er hatte auf der ganzen Welt Konzerte gespielt, von Tokio über Sydney, Berlin und New York. Er belegte nebenbei noch einen Kurs bei einem bekannten russischen Pianisten und würde in wenigen Tagen mit den St. Petersburgern Philharmonikern ein vom Publikum und Kritikern gleichermaßen lang ersehntes Konzert geben.
Und seine Schwester? Die hatte ihm doch heute Abend ernsthaft eröffnet, dass sie es erwog in die Politik zu gehen. Der Wahlkampf in Großbritannien stand vor der letzten heißen Phase und der vielleicht zukünftige Premierminister wollte sie in seinem Kabinett sehen. Natürlich würde dies bedeuten, dass sie wieder nach London zurückziehen und ihren Job bei der UNO beenden musste. Aber stelle sich das einer vor. Seine Schwester in der Politik! Wer war jetzt erfolgreich?
»Was ist mit deiner Doktorarbeit?«
Alexis stöhnte. »Schlechtes Thema. Ich weiß auch noch nicht, ob ich es überhaupt noch machen soll.« Zugegeben er hatte schon einiges an Zeit in dieses
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