Holz und Elfenbein
wirklich geschmeichelt, dass Federico Batist, der berühmte Pianist, so ein Interesse an ihm zeigte.
»Brauchst du nicht. Madame Dupal hat seit zwei Wochen von nichts anderem mehr geredet. Sie ging uns allen schon auf die Nerven. Wir sind froh, dass du jetzt endlich hier bist. Es heißt, du wärst ganz gut in Improvisation?«
»Ich gebe mir Mühe«, erwiderte Alexis lachend. Doch er hatte den kleinen Seitenhieb nicht überhört. Er konnte nur hoffen, dass die Professoren nicht zu enthusiastisch reagiert hatten und die anderen Studenten ihm nun die eiskalte Schulter zeigten.
Er nahm sich einen Moment Zeit um Federico ins Gesicht zu blicken. Was hatte Kevin gemeint, Federico hätte wieder einmal Probleme? Was für Probleme es wohl waren? Sicherlich keine fachlichen, aber was dann? Ihm fielen sehr wohl die dunklen Augenringe und die angespannte Haltung des Pianisten auf.
»Dann sehen wir uns sicher bald auf dem Campus«, verabschiedete sich Federico auf einmal schnell als er hörte, dass sich die Tür zum Zimmer des Dekans öffnete. Mit Sicherheit wollte er einer erneuten Konfrontation aus dem Weg gehen. Alexis konnte kaum noch einen Gruß murmeln als Federico schon auf den Flur hinausgetreten war und er ihm verwundert nachsah.
Was war es? Er hatte alles erwartet, was ihm hier passieren konnte, aber nicht das! Da hatte er doch extra England verlassen und gehofft nicht mehr an gescheiterte Beziehungen und verbitterte, einsame Stunden mit zu viel Whisky erinnert zu werden.
Er hatte diesen Teil seiner Persönlichkeit für das letzte halbe Jahr sorgsam unter Verschluss gehalten. Mit der Zeit würde sein Interesse an anderen Männern langsam wieder zurückkehren, so hatte er vermutet und gehofft. Doch nicht dies! Da sprach er mit diesem jungen Pianisten und alles war wieder da! Die Spekulationen, die Hoffnung, die Begierde und Neugier.
Nun, eines konnte er nicht bestreiten. Sein Aufenthalt hier war mit einem Mal viel interessanter und reizvoller geworden als er ursprünglich geplant hatte.
2
Federico hastete nach seinem Termin beim Dekan wieder zurück zu seinem Zimmer im Wohnheim. Hektisch warf er einen Blick auf die Uhr, die in der Eingangshalle über den Fahrstühlen angebracht war. Er war schon hoffnungslos zu spät. Die Kompositionsstunde hatte er bereits versäumt und er hoffte Kevin hatte ihn bei Madame Dupal entschuldigt, die schon etwas betagte Dame legte Wert auf solche Dinge.
Die Mensa war zu dieser Zeit gnadenlos überfüllt und Federico stand nicht der Sinn danach sich eine halbe Stunde die Beine in den Bauch zu stehen für ein Stück Fleisch, das sich ›Hawaiischnitzel in Currysoße‹ schimpfte. Vielleicht stand noch im Kühlschrank seiner Bude etwas Essbares. Er meinte sich zu erinnern heute Morgen noch Reste des Auflaufs gesehen zu haben, sofern Claude, sein Mitbewohner, nicht ausgerechnet heute Morgen zurückgekommen und sie längst aufgegessen hatte. Der Auflauf war noch da und Federico setzte sich kurzerhand auf die kurze Anrichte der Küche, während er in den kalten Überresten herumpickte. Fürs Aufwärmen hatte er keine Zeit und außerdem war er zu hungrig.
Unwillkürlich kehrten seine Gedanken wieder zu jenem Mann zurück, den er vor wenigen Minuten im Büro des Dekans getroffen hatte: Alexis Arrowfield, begnadeter Organist und selbstgefälliger, arroganter Brite. Oh ja, der Ruf eilte ihm voraus. Wobei Federico ihm zugestehen musste, dass er sich im Sekretariat als ausgesucht höflich und nett präsentiert hatte, sofern man das nach dieser kurzen Begegnung schon beurteilen mochte. Sicherlich gefiel es Alexis‘ Ego, dass er gleich von allen erkannt wurde und bei seiner Ankunft beim Dekan vorsprechen musste, zeigte es doch welche Bedeutung ihm beigemessen wurde. Eine Attraktion mehr, die das Konservatorium vorzuweisen hatte. Alexis hatte sich bereits einige Lorbeeren verdient, aber Federico wusste, dass diese nichts zählten. Hier und jetzt musste Arrowfield seine Leistungen bringen und der Rummel um seine Person würde bald wieder abflauen. So wie es immer war. Zumindest lenkte es für einige Zeit von Federico ab. Sonst stand er immer im Mittelpunkt der allgemeinen Bewunderung.
Was Federico jedoch aufgefallen war: Alexis hatte ausschließlich Designerkleidung getragen – Claude hätte seine Freude daran gehabt, wäre Alexis ihm begegnet. Ebenso die Frisur, die dem nächstbesten Modemagazin hätte entsprungen sein können. Von der teuer aussehenden Armbanduhr, die unter dem Hemdsärmel
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