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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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dass Alexis ihn damit ins Bett bekommen wollte, war nun einmal sein erster Gedanke gewesen. So jemand wie Claude wäre von dieser Vorstellung wahrscheinlich geschmeichelt gewesen und hätte sich Alexis geradezu an den Hals geworfen.
    Claude fiel glatt das Glas mit Wein aus der Hand. »Wann?«
    »Damals als du mich mit in den Club genommen hast. Ich habe Alexis dort getroffen und bin noch später mit zu ihm gegangen.«
    »Und weiter?«, hakte sein Mitbewohner nach.
    »Nichts, er hat sich dafür später entschuldigt. Ich war wütend auf ihn, weil ich dachte, er hätte mich ausgenutzt.«
    Aber Claude wusste genau, welche Frage er jetzt zu stellen hatte. »Du warst wütend?«, wiederholte er und legte die Betonung auf das Präteritum. »Jetzt denn nicht mehr, wenn du daran zurückdenkst?«
    Federico warf den unförmigen Klumpen Reis zurück in den Topf, drehte sich um und fixierte die Wand über dem Tisch. Seine Hände krampften sich in das Holz hinter ihm und das Sprechen fiel ihm zunehmend schwerer.
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr«, bekannte er mit erstickter Stimme und holte tief Luft um sich wieder zu beruhigen. »Ich war geschockt, ich wollte es nicht... und jetzt weiß ich nichts mehr. Vielleicht doch.« Schließlich hatte er damals Alexis gefragt, ob dieser ihn erneut küssen wollte. Er konnte es nicht verleugnen für den Bruchteil einer Sekunde hatte ihn in jener Nacht die Antwort Alexis‘ sehr enttäusc ht: ›Da hätte ich mich besser unter Kontrolle haben sollen.‹ Es hatte geklungen, als ob Alexis es als Fehler angesehen hätte. Etwas, was er bereute, ja sogar verabscheut hatte zu tun.
    Er stammelte weiter solche unzusammenhängenden Phrasen, bis ihn Claude in den Arm nahm. »Du magst ihn«, stellte der unumwunden fest. »Das macht dir Angst, ich versteh das. Aber falls dem wirklich so sein sollte, dass du ihn liebst, dann tust du dich leichter, wenn du es dir selbst eingestehst.«
    Mittlerweile war Federico nahe den Tränen. Er war so verwirrt. In all den Wochen hatte er es nie ernsthaft in Erwägung gezogen, dass er sich in Alexis verlieben könnte. Nur jetzt mit einem Mal wurde er sich dessen bewusst, dass er sich zu Alexis hingezogen fühlte. Es war nicht nur die Musik, die ihn so in den Bann zog. Auch Alexis selbst.
    »Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe. Nein. Ich will nicht.« Er nahm es kaum war, dass Claude ihn in sein Zimmer geführt hatte und sie nun auf dem Bett saßen. Auch war ihm nicht bewusst, dass er sich regelrecht an den Freund fest klammerte. »Ich will nicht schwul sein«, platzte es aus ihm heraus.
    Claude hatte genügend Verständnis für Federicos Zusammenbruch, dass er diese letzten Worte nicht als Beleidigung auffasste. Er strich über Federicos Rücken, wie bei einem Kind und fühlte mit seinem Freund. Er hatte genau das Gleiche durchgemacht, das Leugnen seiner selbst.
    »Wenigstens in Einem wollte ich normal sein.« Federico schüttelte den Kopf. »Die anderen Kinder haben nach der Vorschule im Park gespielt, sind zum Turnen in den Verein gegangen. Ich hatte immer Klavierstunden. Ich war Vollwaise, lebte bei meiner Tante, dann auf dem Internat. Die anderen Kinder wurden von ihren Eltern besucht oder Geschwister. Ich nie.
    Ich bin mit elf in fremde Länder geflogen, um dort bei namhaften Pianisten Kurse zu besuchen. Ich konnte nicht einmal die Sprache, die dort gesprochen wurde. Ich fühlte mich so allein. Ich hatte kein normales Leben und dann wenigstens in diesem einen Punkt, dachte ich, dass ich normal wäre! Und jetzt... bin ich es nicht!«
    »Was ist schon normal, Fedri«, tröstete Claude. »Außerdem wer sagt denn schon, dass du schwul bist.«
    »Ich mag einen Mann!«, kam es entgeistert von Federico zurück. »Was gibt es da noch weiter zu sagen!«
    »Eben, du liebst einen Mann, Alexis. Ob da noch mehr ist, wirst du mit der Zeit herausfinden und Alexis wird dir dabei helfen. Es gibt viele Männer, die sich nur deshalb dazu durchgerungen haben sich zu outen, weil sie einen Partner an ihrer Seite hatten.«
    »Falls er mich überhaupt will.«
    »Ich würde sagen, das steht außer Frage. Er weiß genau, dass du dich unbehaglich fühlst, wenn er dich offen darauf ansprechen würde. Wahrscheinlich hat er genau so viel Angst davor, dass du ihn zurückweist wie du.«
    Endlich richtete sich Federico wieder auf und wischte sich über das Gesicht. »Hat er etwa mit dir geredet?« Hatte Alexis deshalb den Kontakt zu Claude gesucht? Damit er sich über Federico

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