Holz und Elfenbein
enthoben, weil endlich die Professorin eintraf und die Vorlesung begann.
Alexis‘ Tipps wie er mit Dekan Haylen verfahren sollte, erwiesen sich als goldrichtig. Dem Dekan gefiel es zwar nicht, dass Federico seine Pläne durchkreuzte, aber den Gründen, die er ihm aufführte, hatte selbst Haylen nichts entgegenzusetzen.
Claude war noch immer ganz aus dem Häuschen, dass Alexis ebenfalls schwul war und damit stieg auch das Ansehen, das er dem Organisten entgegenbrachte. Federico sah die beiden keine Woche später zusammen in der Cafeteria sitzen. Alexis hatte selbstverständlich – ganz charakteristisch - keinen Kaffee vor sich stehen, sondern spielte mit dem Teebeutel der in seiner Tasse hing. Zuerst wollte sich Federico zu den beiden gesellen, doch dann hörte er, über was sie sprachen. Oder vielmehr hörte er nur Schulnoten, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen sobald ein Student die Cafeteria durch den Haupteingang betreten hatte. Er konnte sich sehr gut ausmalen, was dies zu bedeuten hatte.
»Ihr seid kindisch«, baute sich Federico vor dem Tisch auf und blickte in gleichermaßen amüsierte Gesichter.
»Was sagst du zu dem?«, wandte sich Claude an Alexis und deutete auf Federico, so als ob dieser nicht direkt vor ihnen stünde.
Alexis stützte das Kinn in die Hand und musterte Federico von oben bis unten. »Er läuft außer Konkurrenz.«
Federico war klug genug, diese Worte zu ignorieren und nicht darauf einzugehen. Stattdessen warf er den beiden die Unterlagen für die Vorlesung hin, die sie versäumt hatten. »Das nächste Mal, geht wieder selbst in die Vorlesung. Statt hier herumzusitzen und allen Leuten auf den Hintern zu starren.«
»Willst du mitmachen?«, bot Claude treudoof an und klopfte auf den Platz neben sich.
»Das könnte sehr lehrreich für dich sein«, stimmte Alexis mit ein. »Außerdem starren wir nicht allen Leuten auf den Hintern, nur ganz bestimmten.«
»Jep.«
Verdammt noch Mal, den beiden Typen machte das auch noch Spaß. »Herr im Himmel. Verhaltet euch wie Erwachsene. Geht in nen Club oder was.« So zeterte er weiter, während das Grinsen seiner Gesprächspartner nur noch breiter wurde.
So wurde das Leben auf dem Campus für Federico wieder etwas ruhiger und geregelter nach den Aufregungen der letzten Tage. Glücklicherweise besserten sich auch seine Beschwerden und er blickte wieder zuversichtlicher in die Zukunft.
Eines Abends übte Federico auf seinem Lieblingsflügel, nahe des großen Konzertsaals. Es war schon weit nach 22 Uhr als er die Notenblätter zusammenglaubte und unter den Arm klemmte. Sorgsam schloss er den Raum ab und schaltete dann nicht einmal die Beleuchtung im Flur an. Die Fenster und die Straßenbeleuchtung spendeten genügend Licht damit er den Weg auch so fand.
Als er um die nächste Ecke bog, hörte er jedoch überraschenderweise Orgelspiel. Es kam aus dem großen Konzertsaal, dort wo die Pfeifenorgel stand. Normalerweise wäre er einfach weitergegangen, wenn er nicht das Stück erkannt hätte, das der Organist da spielte. Es war ein Stück von Chopin. Ein Stück, das ursprünglich für Klavier geschrieben war, nicht für Orgel. Wer kam schon auf die Idee so ein Werk auf der Orgel zu spielen? Noch dazu auf eine Art und Weise, die Federico noch nie gehört hatte! Vorsichtig öffnete er die Tür zum Saal. Es brannte kein Licht, lediglich eine einzelne Lampe auf dem Empore erhellte die unmittelbare Umgebung des Spieltisches. Alexis! Es war niemand anderes als Alexis, der hier spielte.
Federico setzte sich auf den erstbesten Stuhl, legte seine Notenblätter neben sich und lauschte der Musik. Fast fühlte er sich wie ein Voyeur, so wie er Alexis hier beobachtete. Übungsarbeit war etwas sehr Persönliches, geradezu Intimes. Jeder Musiker hatte ein anderes Vorgehen wenn er sich neue Stücke erarbeitete und die wenigstens wollten sich dabei beobachtet wissen.
Federico war beim Üben oft impulsiv. Alle zwei Wochen musste er sich einen neuen Bleistift nehmen, weil er so sehr auf ihnen herumkaute. Er kritzelte gerne auf den Notenblättern herum, benutzte farbige Markierungen und falls etwas nicht so lief, wie er es sich vorstellte, dann flogen die Blätter und Stifte auch schon mal in die nächstbeste Ecke.
Alexis hingegen, er war ganz anders. Arbeitete ruhig, systematisch und so konzentriert dass er mit Sicherheit die vorgerückte Uhrzeit schlicht und einfach vergessen hatte. Erst als sein Handy klingelte, hielt er inne und begann dann
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