Holz und Elfenbein
Seite, dabei schlang er einen Arm um Federicos Hüfte. Alexis musste den Kopf in den Nacken legen um zu seinem Freund hochzusehen: »Ich kann dir auch den Rücken massieren.«
Ihm war Federicos vorherige Bemerkung über seine unpassende Schlafposition am Flügel nicht entgangen.
»Da kann ich nicht ›Nein‹ sagen.« Federico packte schon seine Noten zusammen, da fielen Alexis ein paar besondere Blätter auf.
»Das ist ja die Revolutionsetüde!« Er grinste. »Ich habe sie schon auf der Orgel gespielt.« Das war eines seiner privaten kleinen Projekte, klassische Werke für das Klavier auf die Orgel umzuschreiben.
»Ja, ich weiß«, bekannte Federico und nahm ihm die Blätter aus der Hand um sie wegzupacken. »Ich habe dich gehört. Damals bevor du nach Prag gegangen bist habe ich jeden Abend zugehört.«
Alexis konnte dies gar nicht fassen. Es war ihm auch nicht aufgefallen, dass ihn jemand belauscht hätte. Er hatte doch immer abends an der Orgel im großen Konzertsaal gespielt und nicht damit gerechnet, dass ihn noch jemand hören konnte. »Wirklich?«
»Claude meinte schon, ich wäre wie ein Stalker, aber ich wollte dich hören und in diese Musik habe ich mich wahrlich verliebt.«
»Oh, Federico.« Alexis zog ihn an sich und küsste ihn zärtlich. Nie hatte ihm jemand ein schöneres Kompliment gemacht. »Spiel sie für mich, bitte.«
Sie tauschten die Plätze und Federico breitete die vier Notenblätter, allesamt mit Notizen und Markierungen versehen, auf dem Pult des Flügels aus.
Alexis fand es immer wieder faszinierend ein und das selbe Stück von unterschiedlichen Musikern gespielt zu hören. Da er genau dieses Stück selbst in- und auswendig kannte, war es für ihn besonders interessant zu hören, wie Federico die Etüde auf dem Klavier spielte. Natürlich hatte Federico andere Möglichkeiten des Ausdrucks und der Interpretation als Alexis auf der Orgel.
Diese halsbrecherischen Läufe mit der linken Hand meisterte Federico scheinbar spielend mühelos. Nach einem wilden, stürmischen Auftakt im vollen Fortissimo, spielte Federico deutlich leiser weiter, hielt sich damit nicht völlig an die Vorgabe des Originals. Doch damit erzeugte er sehr eindrucksvoll die Illusion eines Sturmes, der am Anfang noch schwach, jedoch unaufhörlich an Fahrt und Schwung gewann. Ganz so wie die Idee der Revolution anfangs nur ein kleiner Funke in den Köpfen der Menschen war und sich schließlich in all ihrer Gewalt im 19. Jahrhundert über den gesamten europäischen Kontinent ergossen hatte.
Doch alle interpretatorische Finessen beiseite. Federicos Technik war atemberaubend! Perfekt und kraftvoll, jeder Note maß er den gleichen Wert bei. Sein Spiel schien keine Schwächen zu kennen.
Nachdem er geendet hatte, verharrte Federico einen Moment in Ruhe vor dem Flügel.
»Das war beängstigend«, bekannte Alexis ehrfürchtig. Es war das erste Mal gewesen, dass er Federico live am Flügel erlebt hatte. Dass es so einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde, hätte Alexis nicht erwartet. »Beängstigend und erschreckend.« Diese Technik! Kein Wunder, dass Federico morgens um sechs aufstand um Fingerübungen durchzuexerzieren.
»Danke«, nahm Federico das Kompliment gönnerhaft entgegen und erhob sich. »Aber jetzt komme ich wirklich gerne auf dein Angebot und die Rückenmassage zurück.«
Schnell waren die Blätter zusammengepackt und die Lichter gelöscht. Händchenhaltend schlenderten sie über den Campus zurück zum Wohnheim. Bei hellem Tageslicht hätte dies Federico vermutlich nicht zugelassen, aber jetzt war es auch für ihn okay. Alexis würde ihn auch nicht drängen wollen sich gegenüber seinen Kommilitonen zu outen. Das hatte noch Zeit.
Alexis war bis jetzt noch nie über Nacht bei Federico geblieben und auch wenn er sich jetzt schon fragte, wie sie bequem in dessen Bett schlafen sollten, so freute er sich doch auch auf die Zweisamkeit.
»Wir haben noch einen Rotwein. Willst du ein Glas?«, fragte ihn Federico als Alexis gerade Claude eine Nachricht schickte, sich dafür entschuldigte, dass er mit Jérôme alleine ausgehen musste. Wobei Alexis doch den starken Verdachte hegte, dass dies Claude sicher nicht einmal unrecht war.
»Gerne.« Er legte das Handy weg und folgte Federico in dessen Schlafzimmer. Alexis schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Zu gerne wollte er dieses Bild auskosten, Federico, der ihm den Rücken zuwandte, sich sein Hemd aufknöpfte. Der Stoff, der in zahllosen Falten zu Boden
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