Holz und Elfenbein
»Okay«, gab sie langsam von sich und Federico fühlte sich genötigt, sich bei ihr zu entschuldigen, auch wenn er ihr keinen Grund dafür nannte.
Sie winkte nur ab. »Nein, ist in Ordnung, klar. Wir sehen uns.« Damit erhob sie sich wieder und ging davon. Man sah ihr an, dass sie förmlich an der Welt zweifelte und rein gar nichts mehr verstand.
»Sie wird es verstehen, auch wenn sie mir jetzt Leid tut. Armes Ding«, bekannte Alexis mitfühlend.
Federico stimmte zu. »Aber mir geht es jetzt besser. War das ein Coming-out?«
»Kann man schon so sagen.« Alexis lächelte ihn liebevoll an. »Ich bin stolz auf dich.« Er ging nicht so weit ihn hier in der Cafeteria zu küssen, aber hätte es mit Sicherheit gerne getan.
Überhaupt hoffte Federico, dass niemand dieses kleine Gespräch mitgehört hatte. Es war eine Sache, dass Klara nun Bescheid wusste, aber eine völlig andere, dass sich gleich jeder hier das Maul darüber zerriss.
Nach einem ausgedehnten und äußerst angenehmen Mittagessen, das aufgrund der Uhrzeit eigentlich als solches nicht mehr zu bezeichnen war, mussten sie sich leider wieder voneinander verabschieden. Federico hatte noch sein Seminar zu besuchen und musste vorher die Noten von Alexis abschreiben, außerdem wollte er noch einmal am Flügel üben. Er hoffte, dass es ihm jetzt besser gelang als noch am Morgen. Nicht nur Claude war abergläubisch, auch Federico hatte sich ein festes Ritual vor einem Konzert angewöhnt und dazu gehörte die fraglichen Stücke am Vortag noch einmal durchzuspielen. Je besser ihm dabei diese Stücke von der Hand gingen, desto beruhigter ging er in die Vorführung.
Alexis hatte eine gänzlich andere Handhabe, er pflegte am Vortag einer Aufführung keine Orgel mehr anzurühren. Das hatte er beim Mittagessen bekannt als Federico schweren Herzens den Vorschlag den Nachmittag bei Alexis zu verbringen zurückweisen musste.
Zufällig traf Federico nach dem Seminar dann noch Klara und lud sie zu einem Kaffee und einem Muffin in der Cafeteria ein. Er fühlte sich ihr gegenüber immer noch schuldig, auch wenn er selbst wusste, dass er dies nicht brauchte. Schließlich hatte er ihr gegenüber nie Andeutungen gemacht. Er hatte sie aber durch seine Passivität mit der er auf ihre Flirtversuche reagiert hatte, aber auch nicht gerade entmutigt.
Immerhin konnte sie ihm in die Augen sehen und nach einigen unbehaglichen Minuten während denen ein jeder in seinen Kaffeebecher starrte, hatten sie ein völlig normales, unspektakuläres Gespräch geführt. Klara verhielt sich ihm gegenüber ganz normal. Sie schien nicht angeekelt von ihm zu sein, oder ihn für einen gänzlich anderen Menschen halten. Insgeheim fürchtete sich Federico nämlich vor solchen Reaktionen seiner Mitmenschen, wenn es publik werden würde, dass er und Alexis zusammen waren und er an die andere Seite des Ufers gewechselt war.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet ihr beide zusammenkommt«, bekannte Klara dann irgendwann.
Offenherzig antwortete Federico: »Du, das ging mir genau so.« Da lachten sie beide und ganz offensichtlich war es Balsam auf Klaras Seele, dass Federico nicht schon immer auf Männer gestanden hatte und dass dieser ›Sinneswandel‹ ganz allein auf Alexis zurückzuführen war. Sollte sie auf Alexis wütend sein, damit konnte Federico leben. Auch wenn es ein bisschen feige war, so zu denken, wie er sich eingestand. Klaras und Alexis‘ Verhältnis würde sich dadurch nicht unbedingt bessern.
Als er dann endlich vor dem Flügel saß war es schon Abend, aber immerhin war er nun ungestört. Doch schon bei den ersten Akkorden durchfuhr ihn erneut dieser Schmerz, der, so schien es, tief in seinem Handgelenk festsaß. Er versuchte weiterzuspielen doch es hatte keinen Sinn. Zu groß waren nun die Schmerzen und zu groß die Einbußen, die sein Spiel dadurch erlitt. So heftig waren seine Beschwerden noch nie gewesen! Nicht einmal am Anfang des Semesters und damals hatte er sich schon schwer getan.
Mit einem Gefühl der Angst und der Unsicherheit klappte er den Flügel zu und ging mit langsamen Schritten ins Wohnheim zurück. Sein Handgelenk pochte noch immer und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Anscheinend hatten diese wenigen Minuten Klavierspiel ausgereicht um die Sehnen und Bänder seiner Hand über Gebühr zu reizen.
Was sollte er jetzt tun? Morgen war das Konzert. Professor Vipatchi würde kommen und gerade ihr hatte er doch versprochen sein Bestes zu geben. Außerdem war
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