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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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seine Teilnahme am Vorspiel absagen. Dies allein war schon schlimm genug. Noch nie hatte er einen ähnlichen Schritt tun müssen. Federico hatte bis jetzt immer seine Verpflichtungen erfüllen können. Doch was sollte er als Grund angeben? Was konnte Grund genug für einen Pianisten sein, so kurzfristig ein Konzert, von dem jeder wusste, wie wichtig es ihm war, sausen zu lassen? Eine Überanstrengung? Eine akute Sehnenscheidenentzündung? Oder ein spontaner Fall von Grippe?
    Gut, die Grippe würde man ihm kaum abnehmen und die anderen Gründe würden ein schlechtes, zweifelhaftes Licht auf ihn werfen. Wer engagierte schon einen Pianisten der an einer Entzündung der Sehnen litt? So ein Makel würde ihm lange anhaften. Das war so wie bei einem Fensterputzer mit Höhenangst.
    Unruhig geisterte Federicos Blick durch sein Zimmer als ob ihm der Kleiderschrank an der Wand eine Antwort geben konnte. Er hörte wie Claude aufstand und kurz darauf bei ihm anklopfte, fragte ob sie zusammen joggen gehen wollten.
    Federico verneinte und im Gegensatz zu ihm selbst war es Claude nicht daran gelegen ihn lange vom Gegenteil zu überzeugen. Vielleicht klang Federico auch einigermaßen mürrisch und abweisend.
    Bald darauf war er alleine und kämpfte sich aus dem Bett. Seine Knie zitterten und in seinem Bauch herrschte ein flaues Gefühl. Ihm war ganz und gar elend zumute und er betete, dass er diesen Tag nur irgendwie durchstand. Womöglich half es, wenn er etwas Festes in den Magen bekam. Federico ging in die Küche und griff schon nach dem Brotmesser um sich eine Scheibe Toast zu schneiden. Da hielt er inne und musterte das Messer skeptisch.
    Warum nicht! Er könnte behaupten sich beim Brotschneiden geschnitten zu haben. Das war zwar etwas selten Dämliches, aber niemand würde es für unmöglich halten. Dämliche Zufälle passierten nun einmal. Wenn er sich dann noch ein Pflaster um den Finger wickelte, wer wollte schon widersprechen.
    Federico bedachte diese Idee etwas genauer. Jedoch, was tun, wenn ihm jemand nicht glaubte und die Wunde sehen wollte? Oder man misstrauisch wurde, weil sein Finger keine Zeichen einer Verletzung trug.
    Ihm blieb nichts anderes übrig. Wenn er seine gesamten Dozenten und Professor Vipatchi glaubhaft hinters Licht führen wollte, dann musste er die Sache gründlich angehen.
    Claude wäre noch mindestens eine halbe Stunde weg, im Grunde Zeit genug. Aber trotzdem wollte sich Federico beeilen. Er nahm das schärfste Fischmesser, das sie in der Küche hatten und hielt es über die Flamme eines Feuerzeugs. So lange damit die Klinge fast schon glühte, dann ließ er alles wieder abkühlen und goss großzügig die halbe Flasche eines Desinfektionsmittels darüber. Das sollte reichen.
    Er hielt den Griff des Messers mit der linken Hand so fest umklammert, dass er begann zu zittern und musste sich zwingen etwas lockerer zu lassen. Mit sichtlicher Mühe atmete Federico einmal, zweimal tief durch. Dann setzte er das Messer an der Fingerkuppe seines rechten Mittelfingers an. Er hatte die Stelle sorgsam gewählt. Der Mittelfinger einer Hand war schon von Natur aus einer der kräftigsten Finger und wenn er den Schnitt richtig ansetzte, sollte die Behinderung später beim Verheilen nicht übermäßig groß werden. Außerdem musste es ja kein großer Schnitt sein. Er sollte den Finger bald wieder beim Spielen einsetzen können. Dann würde es niemandem als sonderbar erscheinen, wenn er an der rechten Hand in den nächsten Tagen einen Verband tragen würde, der sein Gelenk etwas ruhig stellte.
    › Das ist keine gute Idee‹, dachte sich Federico noch bevor er überrascht vor Schmerz das Gesicht verzog und sich die Klinge des Fischmessers in sein Fleisch schnitt. Blut tropfte in das Waschbecken, bildete seltsame Muster auf der weißen Oberfläche, und zusammen mit dem beißenden Geruch des Alkohols meinte Federico fast besinnungslos zu werden.

13

    Immer wieder suchte Alexis die schlanke Gestalt Federicos im Treiben der geladenen Gäste. Er hoffte, dass es ihm gut ging. Nicht physisch gesehen, ein Schnitt in den Finger war jetzt nicht gerade eine lebensgefährliche Verletzung. Doch wie verkraftete Federico es psychisch, dass er ausgerechnet an diesem Konzert, in dessen Organisation er so viel Zeit und Kraft investiert hatte, nicht teilnehmen konnte? Noch dazu so völlig unerwartet und überraschend.
    Alexis selbst hatte die Neuigkeit erst erfahren als er zu der letzten Besprechung spät am Nachmittag ins

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