Holz und Elfenbein
fähige Pädagogin hatte sein Talent damals erst so richtig entdeckt und alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass es ausreichend gefördert wurde. Sie hatte ihm den Platz in einem der besten Internate verschafft und auch, dass er am Konservatorium in Genf aufgenommen worden war, hatte er nicht zuletzt ihrer Empfehlung zu verdanken. Wenn er sich im Gegenzug zwei Wochen lang mit engstirnigen Presseleuten und scheinbar tauben Angestellten der Cateringfirma herumschlagen musste, war dies ein nur allzu adäquater Preis.
Nichtsdestotrotz durfte sein Übungspensum nicht darunter leiden und so war es nicht zu vermeiden gewesen, dass seine gemeinsame Zeit mit Alexis in den letzten Tagen etwas knapp bemessen war. Jeder andere hätte vielleicht herumgenörgelt, aber da Alexis nun einmal wie er selbst Musiker war, wusste er nur zu gut um Federicos Situation und hatte Verständnis dafür.
Aber hieß es nicht, dass Enthaltsamkeit die Standhaftigkeit prüfte? Oder war es die Standfestigkeit? Federico grinste bei diesen Gedanken. Morgen, der Abend nach dem Konzert, der würde nur ihnen beiden gehören, das war sicher. Vielleicht konnten sie sich auch etwas früher vom Empfang davonstehlen. Federico würde dem nichts entgegenzusetzen haben.
Bevor er Alexis in der Cafeteria abholte, spielte er noch einmal die Etüde an. Die Noten benötigte er längst nicht mehr und war sein Ärger über die Unzulänglichkeit der Caterer gerade erst verraucht, so kehrte er jetzt nur umso heftiger zurück. Die Treffsicherheit seiner rechten Hand war heute Morgen geradezu miserabel. Noch einmal begann er das Stück und wieder vergriff er sich.
Wütend auf sich selbst atmete er wie ein wilder Stier durch die Nase aus. »Jetzt konzentrier dich schon«, mahnte er sich zu größerer Sorgfalt und doch war sein Spiel wieder nur Mittelmaß. Federico kam es so vor als ob seine Finger nicht so flink reagierten wie sie das eigentlich tun sollten. Es hatte keinen Zweck so weiter zu üben. Er beherrschte das Stück im Schlaf, gerade erst gestern hatte er es doch gespielt! Aber manchmal hatte man eben so einen schlechten Tag, an dem einfach gar nichts gelingen wollte. Wobei Federico sich mit so einer halbherzigen Erklärung nicht zufrieden geben wollte. Er klappte den schweren Deckel des Flügels zu und dabei durchzuckte sengender Schmerz sein rechtes Handgelenk. Es fühlte sich an als ob jemand eine heiße Nadel durch sein Gelenk getrieben hätte.
Eine volle Minute wagte er sich kaum zu rühren und stand ganz verkrampft vor dem Flügel. Aus Angst eine Bewegung würde mit noch größeren Schmerzen einhergehen. Schließlich richtete er sich auf und blickte seine Hand an.
› Nicht jetzt, nicht jetzt‹, beschwor er innerlich seine Finger und krümmte sie zögerlich. Nichts, kein Schmerz, kein Ziehen alles fühlte sich normal an und doch... Nein, das bildete er sich alles nur ein. Sicherlich hatte er den schweren Deckel nur auf eine ungünstige Art und Weise angepackt und deshalb diesen Schmerz verspürt. Es war nur ein dummer Zufall.
Alexis saß an einem der Tische in der Cafeteria, ein halb gegessener Bagel und – natürlich – einen Pappbecher mit Tee vor ihm auf dem Tisch. Schnell notierte er noch ein paar Noten auf einem Blatt Papier als Federico sich zu ihm setzte.
»Meine Hausaufgaben?«, fragte dieser und drehte das Blatt mit den Noten zu sich herum. Notenlesen auf dem Kopf war noch nie seine Stärke gewesen.
»Ja und ich sollte mir die höchsten Vorwürfe machen, dass ich deine Hausaufgaben erledige. Das ist moralisch äußerst verwerflich.«
Federico grinste nur, er wusste es besser. Alexis liebte diese Aufgaben und hatte sogar noch Spaß daran. Außerdem waren Choralbearbeitungen Alexis viel geläufiger und für einen Organisten etwas ganz Alltägliches.
»Tolle Harmonisierung«, befand er als er die Noten studiert hatte. »Ich werde nur ein, zwei Sachen abändern müssen, sonst merkt man gleich, dass nicht ich es geschrieben habe.« Alexis‘ Stil war deutlich erkennbar, aber Federico würde es ohnehin noch einmal abschreiben müssen.
»Wenn ich das so sagen darf, du hast eine Sauklaue.« Alexis‘ Notenschrift war in der Tat recht schlampig, ganz im Gegensatz zu seiner Handschrift, die dann fast schon wieder zu elegant und sauber war.
Natürlich überging Alexis diese Kritik mit einem charmanten Lächeln. »Ich konnte es bis jetzt immer lesen. Wo gehen wir essen?«, erkundigte er sich. Sie waren zum Mittagessen verabredet.
»Ich dachte wir
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