Holzhammer 02 - Teufelshorn
Josef hätte ihm da nicht helfen können, die Traunsteiner machten nur einfachere Untersuchungen, auch wenn Josef das ungern hörte. Die härteren Nüsse durften sie nur einsammeln und zur KTU beim Landeskriminalamt weiterschicken. Apropos sammeln – er hatte seine Sonntagsaufgabe: Joppen sammeln.
Am liebsten hätte er Marie geschickt, schließlich war sie diejenige, die sich gern am Wochenende mit wohltätigen Altkleidersammlungen vergnügte. Aber es musste wohl sein. Erst gestern hatte er diese Rundtour durch den Talkessel machen müssen. Jetzt schon wieder. Aber hätte er einen seiner jungen Kollegen von der Freundin wegzitieren sollen? Dazu war er zu gutmütig.
Wieder fuhr er nach Bischofswiesen, zum Götschen, durch Berchtesgaden, in die Schönau, nach Königssee-Dorf und schließlich zur Seelände, wo der Hias wohnte. Seiner Bitte, die gestrige Überbekleidung herauszugeben, kam man überall sofort nach. Der verletzte Alois Seiler lag im Kreiskrankenhaus, aber seine Kleidung war inzwischen daheim, seine Frau hatte sie abgeholt, um sie zu waschen, wie sie sagte. Als sie dann gesehen hatte, dass sowohl die Hose als auch die Jacke zerrissen waren, hatte sie beides gleich in die Mülltonne geworfen. Holzhammer musste die Sachen unter Bratenresten und Katzenstreu herausziehen.
Er hatte diesmal auch an die vorschriftsmäßigen Asservatenbeutel gedacht und alles säuberlich einzeln verpackt und beschriftet. Am Ende war er im Besitz von acht Berghosen der Marken Millet, Mammut und Astri, einer Funktionsjacke der Marke Millet, einer Salewa sowie sechs absolut identischen Mammut-Jacken, die sich lediglich in der Größe unterschieden. Wenig verwunderlich, denn wer auf sich hielt, und das taten zweifellos alle Teilnehmer der denkwürdigen Bergtour, der trug bei ernsthaften Outdoor-Unternehmungen das jeweils aktuelle Spitzenmodell des Herstellers mit dem Elefanten. Diese Kleidungsstücke hatten inzwischen mühelos die Fünfhundert-Euro-Schwelle überschritten.
In einem Bergsteigerforum im Internet hatte Holzhammer einmal eine etwas seltsame Frage nach der besten Bekleidung «für wärmere asiatische Berg-Gegenden» gelesen. Die nicht ganz ernst gemeinte Antwort hatte gelautet: «Was du anziehst, ist egal. Hauptsache, es ist ein Urzeit-Elefant darauf.» Kurze Zeit später hatte man den damaligen Verteidigungsministerbaron in einer Mammut-Jacke am Hindukusch gesehen.
Jedenfalls brachte Holzhammer seine gesammelten Altkleider aufs Revier und entschied, damit der Wahrheitsfindung für den heutigen Sonntag Genüge getan zu haben.
Christine war inzwischen am Pass Trischübel angekommen. Von der ehemaligen Alm war nicht mehr viel zu sehen, nur die Flora zeigte noch an, dass hier jahrhundertelang Kühe gedüngt hatten. Auf der anderen Seite der Hundstodgrube ragte der Große Hundstod auf, ein kahler Berg mit reichlich losem Schotter im Gipfelanstieg. Das war der Hausberg der Ingolstädter Hütte, Christine hatte ihn im Sommer bestiegen. Nach rechts bog der kleine Steig ab, der zum Hirschwieskopf, meist kurz Hirschwiese genannt, führte. Die Aussicht von seinem Gipfel sollte interessant sein. Christine sah auf die Uhr und entschloss sich, die zusätzlichen 300 Höhenmeter in Angriff zu nehmen.
An einer kleinen Forsthütte vorbei ging es auf einem schmalen Steig aufwärts. Eigentlich nur Trittspuren, die man aufmerksam verfolgen musste. Der steile Weg führte über sandige Stellen, die durch die lange Trockenheit ziemlich rutschig waren. Die oberste Sandschicht machte sich unter den Sohlen selbständig. Doch eine Stunde später stand sie auf einer flachen Grünfläche. Der Hirschwieskopf war wirklich mehr eine Hirschwiese. Die meiste Zeit stand wohl sogar Wasser in einer flachen Mulde – eine Hirschtränke. Jetzt war sie jedoch ausgetrocknet.
Christine sah sich um. Nach Südwesten stachen die Teufelshörner hervor, die beiden spitz zulaufenden Zwillingsberge. Von hier sahen sie wirklich aus wie Hörner. Christine machte Fotos, mit und ohne Zoom. Dann drehte sie sich um und blickte genau auf die Watzmann-Südspitze mit ihren steilen Schutthängen. Über diese Hänge führte der Abstieg von der Watzmannüberschreitung. Jedes Jahr liefen Tausende dort hinunter. Christine sah genauer hin. Tatsächlich konnte sie einzelne Personen erkennen, die sich mehr oder weniger schnell abwärtsbewegten. Ihre Digitalkamera hatte einen Zehnfach-Zoom, damit würde sie zu Hause sogar noch mehr erkennen. An der Grieshütte, der ersten
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