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Holzhammer 02 - Teufelshorn

Holzhammer 02 - Teufelshorn

Titel: Holzhammer 02 - Teufelshorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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Menschentränke nach dieser Tour, würde sie später noch vorbeikommen.
    Westlich unter ihr lag das Wimbachgries. Sie trat an die Abbrüche heran. Von hier konnte sie das gesamte Gries überblicken. Der riesige Schuttstrom erstreckte sich vom Talschluss bei den Palfenhörnern bis fast in die Ramsau. Er war 15 Kilometer lang und angeblich bis zu 300 Meter tief. Alles kleine Bergstückchen, die nach und nach von den umliegenden Hängen abgebröckelt waren. Und ein sehr bequemer, knieschonender Abstieg. Das Wimbachgries war eine Zauberlandschaft. Hier gab es die einzigen aufrecht wachsenden Latschenkiefern der Ostalpen. Die Gekrümmten hatten wohl Probleme mit dem ständig nachströmenden Schutt. Während sie hinunterschaute, biss Christine gedankenverloren von ihrem Müsliriegel ab.
    Irgendwann nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Da war noch jemand. Vorsichtig drehte sie den Kopf. Einige Meter neben ihr stand eine Gämse und blickte aufmerksam in die gleiche Richtung, in die Christine hinuntergeblickt hatte. Ganz offensichtlich wollte sie wissen, was es da unten so Interessantes zu sehen gab. Christine verhielt sich still, aber innerlich speicherte sie diesen Moment für die Ewigkeit. Solche Tiererlebnisse waren es, für die sie immer wieder auf die Berge steigen würde, solange ihre Knie es erlaubten.
    Schließlich merkte die Gämse, dass sie in ihrer Neugier ertappt war.
    «Hallo, wie geht’s?», sagte Christine. Irgendwie hatte sie sich angewöhnt, mit den Tieren zu reden. Um diese Tatsache vor ihrem Verstand zu rechtfertigen, sagte sie sich, dass die Tiere sich vielleicht den Klang ihrer Stimme merkten und dann beim nächsten Wiedersehen schon wussten, dass von ihr nichts zu befürchten war.
    Die Gämse antworte nicht. Sie schaute Christine an, dann drehte sie ohne Hast um und trottete davon. Ob sie ihren Freundinnen von dem Zweibeiner erzählen würde? Christine stellte sich vor, wie die Gämsen über sie sprachen. Sie fühlte eine Wärme in sich aufsteigen. Der Tag hatte sich gelohnt. Doch jetzt ging es an den steilen Abstieg zum Hauptweg.
    Runter war immer schwieriger als rauf, stellenweise fand sie es sogar etwas heikel. Doch nach einer Stunde war sie wieder auf dem Hauptsteig. Von jetzt an gab es keine Schwierigkeiten mehr, und bald erreichte sie die Wimbachgrieshütte. Auf der Terrasse saßen stolze Watzmannüberschreiter. Wer jetzt schon unten war, gehörte zu den Fitten. Die Überforderten würden erst später ankommen, manche erst im Dunkeln.
    Vor kurzem hatte Christine ein Interview mit dem Wirt der Grieshütte im Bayerischen Rundfunk gehört. Da hatte er gesagt, dass fünfzig Prozent aller Leute, die die Watzmannüberschreitung machten, seiner Meinung nach nicht auf diesen Berg gehörten. Es hätten sich auch schon Leute bei ihm beschwert, dass der «Weg» am Watzmanngrat in einem so schlechten Zustand sei. Als wäre der Berg eine Art Turngerät, das vom Fremdenverkehrsverein extra aufgestellt wurde. Ja genau, am besten asphaltieren, den Grat. Kein Wunder, dass viele Einheimische die Touristen für geistig minderbemittelt hielten. Denn die speziellen Einzelfälle sind das, was im Gedächtnis bleibt. Und das sind oft die Idioten.
    Ja, die Watzmannüberschreitung war die Paradetour schlechthin im Berchtesgadener Land, jeder wollte sie machen, ob er konnte oder nicht. Das wäre doch mal wieder ein Betätigungsfeld für die Checklistenfetischisten vom Alpenverein. Wie wäre es mit einer Watzmanncard? Christine hatte die Watzmannüberschreitung auch schon gemacht. Danach hatte sie gedacht: «Einmal reicht», aber inzwischen war sie sicher, dass sie den imposanten Grat in den nächsten Jahren noch öfter besuchen würde.
    Nach einem schnell getrunkenen Radler zog sie weiter, wobei sie nicht den angelegten Weg nutzte, sondern in der Mitte des Schuttstroms stapfte. Hier gab es keine Flora, die man schonen musste, hier gab es nur Sand und Steine.

[zur Inhaltsübersicht]
    3
    Christine lag im Tiefschlaf und träumte von freundlichen Gämsen. Da drangen Geräusche an ihr Ohr. Mehrere laute Geräusche. Zuerst versuchte ihr Gehirn, die Geräusche in den Traum einzubauen. Auf die arme Gämse wurde geschossen. Doch dann machte ihr REM-Schlaf eine unsanfte Landung im Wachzustand. Da schoss tatsächlich jemand, draußen vor dem Fenster. In unmittelbarer Nachbarschaft. Es war noch stockdunkel. Christine horchte. Es klang sogar nach mehreren Schützen. Die Schüsse hallten dumpf vom Grünstein wider. Sie

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