Holzhammer 02 - Teufelshorn
von beiden Seiten offen angesprochen. Damit war die Beziehung nicht nur enger, sondern auch belastbarer. Denn damals, bei ihrem Mann, hatte sie immer nur gedacht, es wäre alles in Ordnung. Dabei war nichts in Ordnung gewesen, über lange Zeit. Bei Matthias wusste sie, dass nicht alles komplett harmonisch war, weil sie einfach sehr verschieden waren. Aber sie waren sich dessen beide bewusst. Und das war der Unterschied.
Inzwischen war sie schon seit einem Jahr mit Matthias zusammen – und wunderte sich eigentlich immer noch darüber. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie ihn für einen Neandertaler gehalten. Nie im Leben hätte sie gedacht, einmal mit jemandem zusammen zu sein, der sich so wenig aus den Dingen machte, die in ihrer früheren Welt als wichtig galten: Prestige, Karriere, Geld. Und nicht nur das. Auch ihre eigenen Prioritäten hatten sich erstaunlich verändert. Genauso wie Matthias den Erfolg eines Jahres nicht am Gehaltszettel festmachte, sondern eher an der Zahl der Motorradkilometer, so zählte für sie neuerdings die Zahl der erklommenen Gipfel. Noch besser wäre es wohl, die Zahlen ganz aus der Rechnung rauszulassen. Aber das schaffte nicht einmal ihr Matthias.
Sonntagmittag. Franz Holzhammer wollte gerade das Steakmesser in die von seiner Frau liebevollst zubereitete – also fertig gegart vom Metzger geholte und kurz im Backofen erwärmte – Schweinshaxe rammen, da klingelte sein Handy. Josef Berg von der Spurensicherung war dran. Er war gerade mit dem Hubschrauber in der Schönau gelandet und schwer zu verstehen, da im Hintergrund noch der Rotor ratternd rotierte.
«Also wir haben ein bisschen Blut von den Felsen gekratzt, aber sonst nichts Interessantes gefunden», meldete er. «Wir waren auch oben an der Absturzstelle. Aber das Einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass dort seit gestern rund dreißig Gämsen und fünfzehn Steinböcke vorbeikommen san.»
«Oiso keine Spuren eines Kampfes?», fragte Holzhammer nach.
«Keine umgeworfenen Möbel am Berg, nein. Auch oben kein Blut, keine Stofffetzen, die der Wind nicht weggeweht hätte. Der Polizeibergführer war ja dabei, und der meinte, es sei sowieso eine Schnapsidee von eurem Dr. Fischer, da oben nach Spuren suchen zu lassen. Und ich find es keine Schnapsidee, sondern eine absolute Scheißidee.»
«Ja, wahrscheinlich. Duad ma leid, dass dein Sonntag hinüber ist. Aber der Bericht hat ja dann Zeit.» Sie verabschiedeten sich, und Holzhammer tauschte das Handy wieder gegen das Steakmesser. Jetzt brauchte nur noch die Entwarnung aus der Rechtsmedizin zu kommen.
Natürlich war auch seine Frau Marie inzwischen auf dem Laufenden. Er hatte ja die Familien-Kaffeerunde gestern sausenlassen müssen, aber dass sein letzter Arbeitsschritt ihn in Manus Kneipe geführt hatte, musste sie nicht unbedingt wissen. Stattdessen hatte er seine Arbeit etwas aufgebauscht. Marie hatte auch schon eine klare Meinung zu dem Vorfall: Eine dritte Person hatte alle beide hinuntergestoßen, den DSVler und den von der Jennerbahn. «Und es ist doch völlig logisch, dass das einer von den Bischofswiesern war», schloss sie ihre Ausführungen.
«Mei liabs Madl», sagte Holzhammer etwas genervt, «denk, was d wuist …»
«Sehr großzügig.»
«… nur verbreit den Schmarrn bitt schön ned bei deine Ratschkattln. Es gibt bis jetzt kan einzigen Hinweis, dass es überhaupts a Mord war.» Mit diesen Worten widmete er sich endgültig seiner Haxe, dem Rotkraut und dem Semmelknödel. Marie saß halbtags im Supermarkt an der Kasse, hauptsächlich deshalb, weil es sich da so schön ratschen ließ und man alles aus erster Hand erfuhr.
Zum Nachtisch bekam er den Zwetschgendatschi, den er gestern nicht hatte essen können. In der Mikrowelle kurz angewärmt, schmeckte er saftig und wieder fast wie neu.
Marie war eine sparsame Hausfrau und ließ nichts verkommen. Früher war sie mal ein ziemlich heißer Feger gewesen, um den seine Kumpels Holzhammer beneidet hatten. Einige hatten noch versucht, bei ihr zu landen, als sie beide praktisch schon verlobt waren. «Was willst du mit dem Krischperl?!», war die gängige Argumentation gewesen, denn Holzhammer war auch zu seinen besten Zeiten nur 1,65 groß und damals auch ziemlich dünn gewesen. Aber Marie stand auf sehnige Bergsteigertypen, und seine Gesamtgröße korrelierte keineswegs mit allen Einzelteilen.
Heute konnte beim besten Willen niemand mehr Holzhammer als Krischperl bezeichnen, da er in erster Näherung am ehesten
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