Holzhammer 02 - Teufelshorn
Jahren betrieb, hatte die maximal erlaubte Anzahl Tische auf den Platz direkt vor dem Ticketschalter und den Anlegestegen gestellt. Die runden Metalltische und die Stühle aus Kunststoffgeflecht verkleinerten den Platz, auf dem sich die Touristen bewegen konnten, sodass das Gedränge drum herum noch größer wurde.
Natürlich war Holzhammer im Dienst, auch wenn es ihm nicht im Traum eingefallen wäre, jetzt die Tische nachzuzählen oder zu kontrollieren, ob sie etwa irgendwo über die Markierungen hinausstanden. Nachdem er sich mühsam in einen Korbstuhl gezwängt hatte, verbreitete er rein passiv Ruhe und Ordnung und vermittelte den Urlaubern aus aller Welt hoffentlich ein Gefühl der Sicherheit. Ob dies der Fall war und ob er umgekehrt eventuell anwesenden auswärtigen Taschendieben ein Gefühl der Unsicherheit vermittelte, konnte er nur mutmaßen. Bei den einheimischen Spitzbuben wusste er allerdings genau, dass sie Respekt vor ihm hatten.
Seit kurzem wurden auf die Schiffsfahrkarten Fahrtnummern und Abfahrtszeiten aufgedruckt, sodass sich für die Touristen ein Drängeln am Steg erübrigte. Man kam sowieso nur auf das Schiff mit der entsprechenden Fahrtnummer. Natürlich hatte diese Regelung auch den wichtigen Vorteil, dass Gäste, die erst in einer Stunde fahren durften, diese Zeit nicht mit Schlangestehen verbringen mussten, sondern herumwandern und ihr Geld in den Andenkenläden in Kitsch investieren konnten.
Holzhammer war nicht zufällig an der Seelände. Er hatte vielmehr von seinem allseits unbeliebten Chef den Auftrag erhalten, die Schiffer zu befragen, ob ihnen am Samstag bei der Überfahrt der diversen Großkopferten irgendetwas aufgefallen war. Natürlich waren die Promis nicht Linie gefahren, sondern hatten ein eigenes Schiff gehabt. Sie hatten sich also nicht zum hundertsten Mal das berühmte Echo anhören müssen.
Die Schiffer, die Holzhammer befragen sollte, waren gerade losgeschippert, als er an der Seelände angekommen war. Und statt das Polizeiboot zu bemühen, hatte er dies als Wink des Schicksals genommen, eine gemütliche Zeit an der belebten Seepromenade zu verbringen. Die Temperatur war angenehm, es war in der Sonne nicht mehr zu heiß, ein leichtes Lüftchen wehte – ideales Bergwetter. Die Berghütten würden diesen Herbst ein gutes Geschäft machen, ebenso die Jennerbahn und die Königsseeschifffahrt. Anfang November würde alles für vier Wochen in eine Art Zwischensaisonstarre verfallen, mit geschlossenen Restaurants und abgeschalteter Jennerbahn. Bis dann zur Adventszeit das touristische Leben wieder erwachte.
Holzhammer beobachtete die Urlauber. Da waren die Japaner, die von oben bis unten in Funktionskleidung gehüllt waren, mit der man gut und gern einen Sechstausender besteigen konnte. Damit fuhren sie jetzt zur Salet und wanderten maximal bis zum Wasserfall, der vermutlich um diese Jahreszeit nach der langen Schönwetterperiode komplett ausgetrocknet war. Auch deutsche Großstädter liefen in Dreilagenjacken herum. Landgefühl für Städter. Oder das Gefühl «Ich könnte, wenn ich nur wollte». Jede Expedition zu Aldi ein echtes Abenteuer.
Wie Holzhammer so dasaß, kam er nicht umhin, auch zahlreiche Hosen samt Inhalt zu begutachten, denn sein Blick war genau auf Hinternhöhe. Mehrere hübsche weibliche Exemplare spazierten vorbei, rund, aber nicht zu rund – die engen Beinkleider standen ihnen prächtig. Er registrierte das, wie er im Garten einen niedlichen Vogel registriert hätte, ganz nebenbei und ohne den Wunsch, ihn näher kennenzulernen oder gar anzufassen. Ja, diese Hosenträgerinnen standen ihm etwa so fern wie eine Kohlmeise.
Geräuschlos schwebten die weißen Boote heran. Nur beim Anschlagen am Steg machten sie manchmal ein kleines, dumpfes Geräusch. Schon seit 1909 fuhren sie mit Elektromotoren, sodass kein Maschinengeräusch die Stille und das Plappern der Touristen störte.
Die ziemlich laute Stille störte dann Holzhammers Handy. «Ich habe Ihnen gerade das Laborergebnis gemailt, wollte nur noch kurz Bescheid sagen», tönte es hochdeutsch aus München.
«Lassen Sie mich raten», antwortete Holzhammer trocken, «die Fasern stammen von einer schwarzen Jacke der Firma Mammut.» Die Chancen betrugen sechs zu zwei.
«Äh, ja, Sie haben den Täter also schon?»
«Eben nicht, leider. Fast alle trugen die gleiche Jacke.»
«Na, was für ein Zufall. So ein Pech.»
Holzhammer verabschiedete sich, ohne den Münchner darüber aufzuklären, dass der Zufall
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