Holzhammer 02 - Teufelshorn
musste.
Dr. Klaus Fischer, Leiter der Polizeiinspektion Berchtesgaden wider Willen, saß an seinem Mahagonischreibtisch und dachte über sein trauriges Schicksal nach. Immer noch saß er in diesem Kuhdorf fest, während in München die Karriere an ihm vorbeilief.
Letztes Jahr hatte er zu spät reagiert und diese Scharte später nur mühsam auswetzen können. Diesmal wollte er nichts versäumen, selbst wenn er dabei einigen Lokalgrößen auf die Füße trat. Im Gegenteil, das würde man ihm in München als Courage anrechnen, so wie die Dinge momentan liefen. Nein, diesmal würde er nichts unversucht lassen. Äußerst praktisch war natürlich, dass der Täterkreis exakt auf die Teilnehmer der Bergtour begrenzt war. Das bedeutete, er konnte nichts falsch machen, wenn er diese Leute unter Druck setzte. Niemand konnte ihm vorwerfen, in eine falsche Richtung ermittelt zu haben. Es gab nur diese eine Richtung.
Es klopfte, und Hauptwachtmeister Holzhammer trat ein. Fischer konnte den Einheimischen immer noch nicht so richtig einordnen. Ihm dämmerte inzwischen, dass unter der kugelförmigen Oberfläche und dem schweren Dialekt eine ganze Portion Hirn verborgen war. Aber so richtig greifen ließ sich das nicht. Immerhin, der Hauptwachtmeister hatte den erteilten Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt und bei den Schiffern ermittelt. Allerdings nichts Weiterführendes herausgefunden. Und was wollte er jetzt noch?
«… habe ich mir überlegt, dass es vielleicht gut wäre, unsere zwei Kandidaten in der Reha-Klinik a bisserl zu beobachten, also äh, beobachten zu lassen.»
«Zu lassen?»
«Ja, ich hab mir gedacht, die Christine könnte den beiden doch ein bisschen auf den Zahn fühlen. Wenn die zu ihr in die Sprechstunde kommen. Die ist doch quasi für so etwas ausgebildet.»
Holzhammer war anzuhören, dass er sich der Delikatesse seiner Idee bewusst war. Und leider wusste Dr. Fischer auch, wieso. Der Polizeichef hatte sich nämlich letztes Jahr einen etwas unrühmlichen One-Night-Stand mit der Ärztin geleistet – just an jenem Tag, an dem sie von ihrem damaligen Mann verlassen worden war. Eine Glanzleistung, auf die er nicht stolz war. Obwohl Christine später niemals etwas gesagt hatte, wusste er genau, dass sie es ihm übelnahm, ihre akute Anlehnungsbedürftigkeit ausgenutzt zu haben. Im Gegenzug hatte sie dann ihre Kompetenzen meilenweit überschritten. Aber am Ende hatte sie tatsächlich zur Aufklärung des Falles beigetragen. Darum stimmte Fischer zu. Es war unorthodox, Christine in die Ermittlungen einzuspannen, es war möglicherweise sogar gegen irgendwelche Dienstvorschriften. Aber es konnte helfen. Und wie war das damals mit Helmut Schmidt während der Sturmflut in Hamburg gewesen – der hatte nicht nur seine Kompetenzen überschritten, der hatte sogar ungefragt die Armee in Marsch gesetzt. Und am Ende war er der Held gewesen. Das war fünfzig Jahre her, aber es hatte sich in Beamtenkreisen bis nach Bayern herumgesprochen. Es kam nur darauf an, dass auch wirklich das richtige Ergebnis herauskam. Und genau das war das Problem – das konnte man eben meistens nicht voraussehen. Außer in diesem Fall. Egal, ob sich ein Verdacht gegen einen der beiden ergab oder im Gegenteil ausgeschlossen werden konnte – beides diente der Aufklärung. Also!
«Ja, von mir aus. Aber mach das diskret. Keine Besprechungen in der Klinik, keine Besprechungen in der Dienststelle. Und sie soll auch nichts in ihren Patientenakten vermerken.»
«Is scho recht.» Damit machte Holzhammer kehrt und verschwand.
Für wie blöd hielt ihn dieser Saupreiß eigentlich, fragte sich Holzhammer draußen auf dem Gang der Polizeidienststelle. Aber Hauptsache, er hatte zugestimmt. Jetzt konnte er ganz offiziell-inoffiziell mit Christine über den Fall reden. Er rief sie gleich auf dem Handy an.
«Grüß dich, Christine, hier ist die Staatsgewalt.»
«Hallo, Franz, was gibt’s?»
«Ja, hättest du was dagegen, diesmal mit dem Segen von oben ein bisschen zu schauen? Oder machst du das nur, wenn es verboten ist?»
Christine wusste, worauf Holzhammer anspielte. Und ihr war auch klar, warum er anrief. «Sagen wir mal so, bei lebenden Patienten hab ich natürlich ein Arztgeheimnis zu wahren.»
«Stimmt, das gibt’s ja auch noch. Aber sag, können wir das vielleicht persönlich besprechen? Und zwar halbwegs privat?»
Christine kam eine Idee: «Nur wenn du mit mir auf den Kehlstein gehst.» Sie hatte es nämlich nicht geschafft, Matthias dazu zu
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