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Holzhammer 02 - Teufelshorn

Holzhammer 02 - Teufelshorn

Titel: Holzhammer 02 - Teufelshorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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vom Himalaya.»
    Christine fragte nicht weiter. Sie war immer noch bei ihren Sprachbetrachtungen. Wieder einmal war ihr deutlich geworden, dass Holzhammer für sie extra Hochdeutsch sprach. Was für sie noch tiefstes Bayerisch war, war für ihn bereits Fremdsprache. Matthias hingegen konnte fast perfekt Hochdeutsch, wahrscheinlich weil seine Mutter nicht von hier gewesen war. Außerdem musste er wegen seines Jobs tagtäglich mit Bankmenschen in ganz Deutschland telefonieren.

    Es war inzwischen dämmrig geworden, außer ihnen war niemand mehr unterwegs. Christine und Holzhammer gingen gerade unter der Seilbahn hindurch, als sie Rufe hörten. Waren das Hilferufe? Sie gingen schneller. Ja, da rief jemand um Hilfe. Christine rannte bereits. Die Rufe kamen von unterhalb der Mittelstation. Von dort, wo die Talabfahrt momentan einer Mondlandschaft glich.
    Ein rot-weißes Band sperrte diesen Bereich ab. Christine hob ein Bein über das Band und stand gleich bis zum Knöchel im Matsch. Holzhammer war dicht hinter ihr. Er blieb vor dem Band stehen und fischte nach seiner Taschenlampe und seinem Handy.
    Nur wenige Meter vor Christine ragte etwas aus dem Matsch heraus. Die Hilferufe hatten aufgehört. «Sind Sie verletzt?», rief Christine nach vorne in die Dämmerung.
    «I kimm nimmer aussa», klagte eine ältere Stimme jetzt klar vernehmlich.
    Von hinten kam jetzt Holzhammers Taschenlampenkegel. Was da so im Matsch steckte, war der Verunglückte. Die Geländeanpassung fraß ihre Opas. Christine stocherte mit ihrem Trekkingstock und merkte, dass der Schlamm nach vorne immer tiefer wurde. Wenn sie weiterging, würde sie selbst stecken bleiben.
    «Wir brauchen Bretter oder so was», sagte sie. Aber Holzhammer hatte die Situation schon erfasst und war bereits bei der alten Hütte. Entschlossen riss er an den Brettern der Holzverkleidung, bis er einige lose fand, die er abhebeln konnte. Sie legten die Planken wechselweise auf den Boden, bis sie den Mann erreicht hatten. Das Männlein steckte bereits bis zum Bauch in dem Schlammloch.
    Halb stützte er sich auf die Bretter, halb zogen sie ihn heraus. Während Holzhammer den Krankenwagen rief, betreute Christine den krummbeinigen Opa, der aussah wie Luis Trenker. Sie gab ihm ihre Jacke, und als sie sein faltiges Gesicht sah, fragte sie: «Ja wie alt sind Sie denn?»
    «Dreiundachtzig», kam die Antwort.
    Sie betteten den Geretteten auf eine Bank vor der Hütte und warten auf den Krankenwagen. Es dauerte eine Viertelstunde, bis die Sanis da waren. Als diese den Opa eingepackt hatten, setzten Christine und Holzhammer ihren Weg nach Hinterbrand fort. Es waren ja nur noch ein paar Minuten.
    «Da sieht man’s mal wieder», sagte Christine, «Dreiundachtzigjährige Berchtesgadener sind fit genug für Bergtouren. Und Verbotsschilder sind nur für die Touristen da.»
    «Ja», sagte Holzhammer, «und wenn schon Verbotsschilder missachtet werden, dann am besten gleich von allen, damit auch jemand zum Retten da ist.»
    Auf der Heimfahrt fiel Christine ein, woran sie der angekarrte Schlamm vom Jenner erinnerte: an den Aushub der Elbe, den man in den Sechzigern in Hamburg-Blankenese auf den Strand gekippt hatte. Darin wäre damals bei einem Ausflug fast ihr Bruder stecken geblieben.

[zur Inhaltsübersicht]
    5
    Am nächsten Tag fuhr Christine in der Mittagspause in den Markt und steuerte zielstrebig das Bergsportgeschäft von Max Saumtrager an. Die vielen Klettersteiggeher auf dem Grünstein hatten ihr zu denken gegeben. Irgendwas musste doch dran sein an dieser Spielart des Bergsteigens. Sie wollte es auf jeden Fall mal probieren. Natürlich hätte sie sich die notwendige Ausrüstung zunächst ausleihen können. Aber irgendwie hatte sie einen gewissen Materialfetischismus entwickelt – wie viele andere auch, sonst würde die Outdoor-Branche nicht so boomen.
    Auf jeden Fall war sie seit einem Jahr Stammkundin in dem kleinen, fast versteckt gelegenen Geschäft in Berchtesgaden. Dem Inhaber vertraute sie blind, spätestens seit der Geschichte mit den Grödeln. Grödel waren die kleinen Geschwister der Steigeisen. Vor einigen Monaten, im Frühjahr, hatte sie Max nach Grödeln gefragt, und er hatte zurückgefragt, wofür genau sie die Teile denn benötigte. Christine wollte diese Hilfsmittel nur zur Sicherheit mitnehmen, falls mal ein steiles Schneefeld zu queren war. Dafür benötigte man keine ausgewachsenen Steigeisen, die die ganze Fußsohle bedecken und horizontal herausstehende Zacken haben.

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