Holzhammer 02 - Teufelshorn
Noch bevor er im Sessel saß, sagte er: «Grias di. I wui so schnell wie möglich hier heraus. Kannst mir da hoifa?» Dabei zwinkerte er ihr vertraulich zu. Dann sank er nonchalant in den Designer-Ledersessel und lehnte sich erwartungsvoll zurück.
Der hatte es ja eilig. War der Mann nicht gerade erst aus dem Krankenhaus direkt hierhergebracht worden? Die meisten Leute freuten sich über den Reha-Aufenthalt. Die von weiter weg sowieso. Aber auch die meisten Einheimischen genossen die kostenlosen Ferien mit Gesundheitsfaktor. Schließlich war es wie im Hotel, alles wurde einem abgenommen, das Essen war nicht schlecht, dazu gab’s Sport und Massagen. Natürlich konnte man Seiler nicht aufhalten. Warum auch. Sie hatte Holzhammer zwar versprochen, dass sie versuchen würde, irgendetwas Sachdienliches herauszufinden. Wenn er jedoch aus der Klinik verschwand, konnte sie diesem Versprechen nicht weiter nachkommen. Und das war ihr eigentlich auch ganz recht, schließlich hatte sie kein gutes Gefühl dabei, ihre Patienten auszuhorchen. «Sie können jederzeit gehen, das ist gar kein Problem. Sie brauchen nur an der Rezeption zu unterschreiben, dass Sie auf eigenen Wunsch entlassen werden. Aber warum möchten Sie denn weg?»
«I hob so vui zum doan. Ich kann hier ned herumsitzen. I muss ins Restaurant, da geht nix ohne mich. Und i muass in mei Woid.»
Was wollte er? Woid – Christine ersetzte im Kopf den bayerischen Diphtong «oi» regelhaft durch das hochdeutsche «a». In seinen Wald wollte er. Auch so ein Nebenerwerbslandwirt. Dabei hatte er doch eigentlich genug anderes zu tun.
Aus Pflichtgefühl gegenüber Holzhammer hakte Christine noch ein bisschen nach: «Aber Sie sind verletzt, Sie können doch noch nicht körperlich arbeiten.»
Mit einem herzhaften «Schmarrn» wischte Seiler ihr Argument vom Tisch. Hatte der vielleicht bei seinen Verletzungen ein bisschen simuliert? Je schwerer die Verletzung, desto größer das Heldentum.
«Verstehe. Und gibt es etwas, über das Sie mit mir reden möchten, solange Sie noch hier sind? Machen Sie sich über irgendetwas Sorgen?»
«Mir geht’s super. Mei einzige Sorge ist, dass i möglichst bald hier aussi kimm.»
«Sehr schön. Den Unfall haben Sie also gut verkraftet?»
«Ach der Unfall, des moanen’s …» Seiler zögerte kurz. Vielleicht hatte er gemerkt, dass sein Verhalten nicht ganz zu seiner angeblich so schweren Verletzung passte. Oder hatte sie einen anderen neuralgischen Punkt getroffen?
Doch da redete er eilig weiter: «Ja, des war grauslich. Ich hab ja noch zu helfen versucht. Er stand da an der Kant’n und schwankte. War plötzlich schwindelig oder so. Ich spring hin, da rutscht er schon ab. Er streckt mir die Händ entgegen wia a Ertrinkender, ich versuch ihn noch zum dawisch’n, er dawischt noch grad mei Jopp’n mit die Fingerspitzen, dann fällt er. Und ich fall auch, durch die Hast, aber zum Glück ned tief, ich bleib hängen und schlag mir nur den Kopf an.» Seiler deutete auf den Kopfverband.
An der Geschichte stimmte etwas nicht, so überzeugend sie auch vorgetragen war. «Sie sagen, der Stranek hat noch Ihre Jacke erwischt?», fragte Christine.
«Ja, aber nur ganz leicht. Sonst hätt er mich wahrscheinlich noch mitgezogen. Ich stand ja in dem Moment auch nimmer sicher. Ich wollt helfen und hab gar ned an mich gedacht.»
Ja klar. Jetzt war Christine überzeugt, dass er log. Das mit der Jacke hatte er sich gerade erst ausgedacht. Und es passte nicht zu Holzhammers Erkenntnissen über die Faserspuren. Aber wenn er nicht der Mörder war – warum log er dann? Was war wirklich passiert?
«Wie gesagt, ich möcht so schnell wie möglich heim. Ich muss vor dem Schnee noch im Woid eini, Holz obi ziagn.»
Was wollte er? Irgendwas mit Holz im Wald. Hier hatte ja fast jeder ein Stück Wald.
«Wenn Sie wollen, können Sie jederzeit heimgehen. Heute noch. Oder Sie packen in Ruhe, schlafen noch mal hier und lassen sich dann morgen nach dem Frühstück abholen», sagte Christine.
«So mach ma’s», antwortete Seiler und grinste.
Flirtete der etwa mit ihr? Jedenfalls konnte sie ihn nicht gegen seinen Willen hier festhalten. Warum der Mensch log, würde Holzhammer selbst herausfinden müssen. Das Einzige, was sie herausgefunden hatte, war, dass Seiler etwas behauptete, was auf keinen Fall sein konnte: dass sich nämlich Stranek in Seilers Jacke gekrallt hatte.
Vor einer Viertelstunde hatte die letzte von Matthias’ Mitarbeiterinnen das Büro
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