Holzhammer 02 - Teufelshorn
verlassen. Er saß an seinem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt, und starrte auf den Bildschirm. Er konnte nicht glauben, was er da sah: eine Überweisung direkt aus der Gemeindekasse an Holger Stranek. Das heißt, als Empfänger war nicht «Holger Stranek» eingetragen, sondern der Name war leicht getarnt: STRA-naz stand da, und dann im Betreff «STRAssenbau-Nachtzuschlag Erdverfüllung Kohlweg». Als hätte jemand aus Versehen den abgekürzten Betreff als Empfänger eingesetzt. Deshalb war die Überweisung anstandslos durch die Kontrollen der Bank gegangen. Niemand hatte bei der Gemeinde nachgefragt, ob das seine Ordnung hatte. Schon deshalb, weil solche Nachfragen die Kunden meistens nervten, und wer wollte es sich schon ausgerechnet mit der Gemeindeverwaltung verderben?
Doch es konnte immer noch die Anweisung eines anderen Verfügungsberechtigten sein. Matthias sah sich also die Stammdaten des Kontos an. Zwei Angestellte der Gemeinde waren ebenfalls verfügungsberechtigt, allerdings für Beträge über tausend Euro nur gemeinsam. Hias war der Einzige, der allein unterschreiben konnte, wenn es um höhere Beträge ging. Aber vielleicht war da etwas durchgerutscht? Matthias holte sich den eingescannten Originalbeleg auf den Bildschirm, blätterte zurück zu den Stammdaten und verglich die hinterlegte Unterschrift.
Jeder Bankkaufmann lernte, wie man Unterschriften verglich. Und Matthias musste zugeben, dass die Unterschrift nach allen typischen Kriterien übereinstimmte. Er war natürlich kein Schriftsachverständiger, und um ganz sicher zu gehen, müsste man den Papierbeleg aus dem Keller fischen und diesen mit der Original-Unterschriftenkarte vergleichen, die in der Filiale hinterlegt war. Aber er hatte schon sehr viele Unterschriften verglichen, und ihm war klar, dass dabei auch nichts anderes herauskommen würde.
Matthias fuhr sich durch die kurzen Haare und überlegte. Selbstverständlich hielt er seinen Cousin immer noch für unschuldig. Schon deshalb, weil der nicht so blöd war. Wenn der Hias jemanden schmieren wollte, dann würde er das nicht über das Gemeindekonto laufen lassen. Bei jeder ernsthaften Prüfung wäre das aufgefallen. Aber umso mehr musste diese Sache aufgeklärt werden. Für ihn sah es so aus, als wollte jemand dem Hias an den Karren fahren. Und das sollte der Hauptwachtmeister seines Vertrauens gefälligst so schnell wie möglich aufklären. Matthias griff zum Telefon – nicht zum Banktelefon, sondern zu seinem privaten Handy.
Hauptwachtmeister Franz Holzhammer war nach der Tournee durch Reha-Klinik und Bank wieder dort angekommen, wo er gestartet war. In seiner neuen Liege nämlich, die er erst letzte Woche für die Hüttenveranda bestellt hatte. Sie war so niedrig, dass er problemlos an das am Boden stehende Weißbierglas herankam, ohne mehr bewegen zu müssen als seinen Arm. Auf seinem Schoß lag der moderne Laptop mit WLAN, und auf dem Bildschirm tobte ein Schachspiel mit einem bereits stark ins Hintertreffen geratenen Taiwanesen. Wenn Holzhammer den Blick vom Bildschirm hob, während der Asiate verzweifelt über den nächsten Zug nachdachte, stand ihm die weltweit bekannte Silhouette des Watzmanns vor Augen, heute freundlich sonnenbeschienen und in der klaren Herbstluft deutlich erkennbar inklusive Frau und vier Kindern. Die Watzmannfrau wurde wesentlich seltener besucht als ihr Mann, auf dem an schönen Wochenenden Hunderte von Bergsteigern unterwegs waren. Holzhammer erinnerte sich an seine erste Watzmann-Überschreitung. Damals war er jung und fit gewesen. Heute war er nur noch und . Und dieses und hatte außerdem ein «r» dazubekommen.
Sein Handy klingelte, und Matthias war dran: «Da war tatsächlich eine entsprechende Kontobewegung», platzte der gleich in bestem Bankerdeutsch heraus. Und fuhr weniger bankerisch fort: «Da will jemand den Hias verarschen.»
«Ja, leck mich», entfuhr es nun auch Holzhammer. In seinem Kopf fing es jedoch sogleich an zu arbeiten: «Das heißt, wir müssen jetzt offiziell werden. Wir müssen die ganze Buchhaltung der Gemeinde anfordern – und natürlich auch offiziell Kontoeinsicht beantragen. Das muss über Fischer laufen. Ich bin ja nur grün.»
«Wie du meinst. Aber die Hauptsache ist, dass die Unschuld vom Hias so schnell wie möglich bewiesen wird. Sonst kann der seine Wiederwahl vergessen.»
«Scho klar. Die Fakten müssen auf den Tisch, und zwar pronto. Ich ruf direkt den Fischer an. A moi am Wochenende arbeiten schod
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