Holzhammer 02 - Teufelshorn
dem nix. Und derweil überleg ich mir, wen ich bei der Gemeinde kenn, und horch mi spätestens Montag a bisserl um.»
«Na gut.»
Das Gespräch mit Holzhammer hatte Matthias keineswegs beruhigt. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass da etwas gewaltig schieflief. Seine buddhistische Gelassenheit hatte sich bereits verabschiedet, als er die Kontobewegung auf dem Bildschirm gesehen hatte. Aber was sollte er machen?
Holzhammer rief Fischer an und bekam ihn auch gleich ans Telefon. Es hörte sich an, als säße der Polizeichef im Auto. Und so war es auch, Dr. Fischer befand sich auf dem Weg nach München, um an einem Sektempfang im Rathaus teilzunehmen, zu dem er genau genommen gar nicht eingeladen war.
Holzhammer schilderte die Lage. Irgendjemand hatte Geld vom Gemeindekonto an Stranek überwiesen, warum auch immer. «Wir müssen Kontoeinsicht beantragen und am besten auch gleich eine Haussuchung bei der Gemeinde, um die ganze Buchhaltung zu bekommen», sagte er. «Der Hias würde uns die Daten sicher freiwillig herausgeben, aber wenn wir mit der Truppe kommen, geht es schneller, und der Täter kann nichts mehr verschwinden lassen oder im Computer löschen.»
Fischer saß in seinem Porsche und hörte dem Hauptwachtmeister zu. Er fuhr gerade am Chiemsee vorbei, rechts die Herreninsel mit Schloss Herrenchiemsee. Das waren noch Zeiten gewesen. König Ludwig – alle hatten ihn für verrückt gehalten, aber so berühmt wie er war auch kein anderer. Was den Nachruhm betraf, hatte die Konsequenz sich ausgezahlt, mit der er seine Ideen verfolgte. Einen Moment lang visualisierte Fischer eine goldene Krone auf seinem eigenen Kopf. Das gab den Ausschlag: «Wir halten uns nicht mit irgendwelchen Haussuchungen auf. Ich beantrage sofort einen Haftbefehl.»
«Was, für wen denn?», fragte Holzhammer entgeistert.
«Für den Bürgermeister, für wen sonst», erwiderte Fischer. Ja, sein Entschluss stand fest. Letztes Jahr hatte er gezögert, dieses Jahr würde er von Anfang an durchgreifen. Der unerschrockene Polizeichef, der sich furchtlos mit den Lokalgrößen anlegte. Der den anderen immer eine Nasenspitze voraus war. Der den richtigen Riecher hatte, wenn andere noch zögerten und Hausdurchsuchungsbefehle beantragten. Die Verhaftung würde Aufsehen erregen. Auch in München. Er sah den ganzseitigen Bericht in der Süddeutschen Zeitung schon vor sich.
«Bist du wahnsinnig? Das kannst du nicht machen!», sagte Holzhammer.
Doch das bestärkte Fischer nur in seiner neugefundenen Durchgreifer-Rolle. Dass es der Bürgermeister nicht gewesen sein konnte, war Holzhammers persönliche Meinung, wahrscheinlich weil er mit dem Kerl um sieben Ecken verwandt war. Aber er, Dr. Klaus Fischer, hatte die unbestechliche Sicht von außen. Ja, er wurde sich immer sicherer. Und wer weiß, vielleicht hatte dieser Dorfbürgermeister den Stranek nicht nur bestochen, sondern ihn anschließend auch noch vom Berg geschubst, als die Sache gelaufen war. Um die Spuren zu verwischen.
«Doch, ich rufe sofort den Staatsanwalt an», sagte Fischer, «Mordverdacht und Verdunkelungsgefahr.» Dann trennte er die Verbindung.
Völlig zerrüttet fiel Holzhammer in seine Liege zurück. Der Chef drehte offensichtlich komplett durch. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass der Staatsanwalt in Traunstein genug Verstand hatte, um Fischers Antrag abzulehnen. Ein Albtraum, wenn er den Hias tatsächlich verhaften müsste.
[zur Inhaltsübersicht]
6
Bis vor zwanzig Jahren hatte es in der Schönau keine Straßennamen gegeben. Die Post war nur nach dem Namen des Hauses zugestellt worden. Erst im Zuge der Gebietsreform und der Zusammenlegung mit Königssee hatte man Straßennamen erfunden – vermutlich auf Drängen der Bundespost.
Viele Ältere kannten diese jedoch immer noch nicht. Man bezeichnete sein Wohnhaus mit dem Hausnamen und nannte vielleicht noch die Gnotschaft dazu, den Ortsteil. Daher wurden Urlaubsgäste, die ratlos am Weg standen und nach der «Waldhauserstraße 5» fragten, von Einheimischen ebenso ratlos angeschaut. Wer den Hausnamen kannte, bekam zwar eine Wegbeschreibung, aber mit der wusste er oft auch nichts Rechtes anzufangen. Denn um beim Grasslbauer rechts abzubiegen, musste man halt wissen, welcher der Grasslbauer ist.
Oben am Berg war es genauso: Wenn ein norddeutscher Wanderer fragte, ob dies der Weg 461 sei, konnte ihm kaum ein Berchtesgadener helfen. Man wusste, wo der Weg hinführte und wie lang und schwierig er war. Vielleicht hatte der Weg
Weitere Kostenlose Bücher