Holzhammer 02 - Teufelshorn
Tourenbeschreibung durch. Sie war nicht sicher, dass sie den alten Steig finden würde, der einige schwierige Stellen aufweisen sollte. Aber versuchen wollte sie es. Der morgige Feiertag war möglicherweise der letzte Tag im Jahr, der noch eine nennenswerte Bergtour zuließ.
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Franz Holzhammer war gerade dabei, seinen kleinen Freund für den Winterschlaf herzurichten. Alle Grasreste wurden sorgsam entfernt, dann wurde er liebevoll mit dem Schlauch abgespritzt, getrocknet, schließlich eingefettet, und ab in die Hütte mit dem Mähroboter. So ähnlich wie mit Skiern nach dem Winter.
Der Hauptwachtmeister war sich bewusst, dass die schönen Stunden auf der Hüttenveranda für dieses Jahr gezählt waren. Vielleicht würde sich die eine oder andere Glühweinsession mit Fleecedecke und Zipfelhaube ausgehen, darauf konnte man hoffen. Die schwarzen Zipfelhauben waren ein besonderer Bestandteil der Berchtesgadener Tracht. Es waren Mützen mit einem kleinen, an einer Schnur befestigten Bommel, die ursprünglich wohl nur zur Ausstattung der Bergleute in der Saline gehörten. Heute trug man sie bei schlechtem Wetter statt des Hutes. Oder auch beim Weihnachtsschießen, wenn es einem unter dem Schützenhut sonst die Ohren abfrieren würde.
Es dämmerte bereits, und kalte Luft fiel von den Bergen herab in die Täler. In einer halben Stunde würde es stockdunkel sein. Holzhammer zog den Reißverschluss seiner dicken Daunenweste zu, in der er aussah wie ein Fußball. Er hoffte nur, dass Matthias sich inzwischen halbwegs beruhigt hatte. Sonst würde das ein schwieriger Abend werden. Vorsichtshalber sollte er sich wappnen. Er sank in den tiefen Sessel auf der Hüttenveranda und nahm den wärmenden Laptop auf den Schoß. In seinem Weißbier, das auf dem Boden stand, hing ein Bierwärmer. Was wohl so ein Heizpilz kostete, wie ihn die Lokale jetzt alle für die Raucher hatten?
Marie war nicht angetan, als er ihr mitteilte, dass er verabredet war. Sie hätte ihn lieber auf der Couch neben sich gesehen, beim Tatort. Aber einige Rechte musste man als Mann im Haus ja haben. Vor allem das Recht, das Haus zu verlassen, wenn es einem beliebte. Und ihm beliebte es ja sowieso selten genug, viel häufiger begnügte er sich mit einer kleinen Flucht in die hinterste Ecke des Gartens. Natürlich trug er normalerweise am Abend Zivil. Da seine Jeans jedoch ganz grün war von der Aktion mit dem Mähroboter, zog er eine Uniformhose an und darüber den quietschbunt gemusterten V-Pullover, den seine Frau neulich von einem ihrer Streifzüge durch den Salzburger Europark mitgebracht hatte. Und insgeheim freute er sich, dass Marie nicht auf die Idee kam, bei seiner Figur gedeckte Farben zu bevorzugen.
Sie waren auf dem Weg zu Manu, Christine fuhr. Vor der Kurve, in der immer der alte Hund mitten auf der Straße stand, bremste sie schon automatisch ab. Unglaublich, wie vieles ihr im letzten Jahr zur Gewohnheit geworden war, was ihr am Anfang doch recht seltsam schien.
An dem zweispurigen Kreisverkehr vor dem Bahnhof war abermals Vorsicht angesagt: Es war der erste Kreisel im ganzen Talkessel – und dann gleich so ein großer. Regelmäßig waren hier Einheimische als Geisterfahrer unterwegs. Diesmal nicht. Sie fuhren in den Markt hinauf und parkten auf dem sogenannten «englischen Parkdeck». Das hieß so, weil in der Einfahrt per Markierung Linksverkehr angeordnet war. Das wussten alle Einheimischen, weil es seit fünfzig Jahren so war. Dafür fungierten hier regelmäßig die Touristen als Geisterfahrer.
Kurz nach acht kamen sie bei Manu an. In der Dart-Ecke herrschte bereits reger Betrieb. Soweit Christine das beurteilen konnte, waren wieder einmal die üblichen Verdächtigen am Start: ein langer Jager aus der Strub, ein untergroßer Investmentbanker aus Berlin, der sich in Berchtesgaden von den jüngsten Kursrückschlägen erholte, eine großbusige junge Kellnerin und ein blasser junger Mann, der mit Matthias irgendwie entfernt verwandt war. Erst kürzlich hatte Christine im Anzeiger zu ihrem Erstaunen von der Existenz der Berchtesgadener Dart-Liga gelesen. Die einzelnen Mannschaften rekrutierten sich aus den diversen Lokalen mit Dart-Automaten. Das Erstaunlichste an der Berchtesgadener Dart-Liga aber war, dass darin auch österreichische Mannschaften vertreten waren. Wieder eins der ungelösten Rätsel des Universums, vor allem weil die Berchtesgadener ja keine Gelegenheit für einen blöden Österreicherwitz ausließen.
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