Holzhammer 02 - Teufelshorn
zack, bum. Hatte sie wirklich?
Und wenn ja, wie konnte es gewesen sein? Hilde stößt ihn, damit er obi fällt. Er stolpert, mit einer Hand greift er ihre Jacke, krallt sich eini, aber die Hand gleitet an der glatten Funktionsjacke ab. Mit der anderen Hand erwischt er gerade noch ihr Halstuch, aber das hängt nur lose um ihren Hals: Vielleicht hat sie es gelöst, weil ihr warm geworden ist. Darum nimmt er das Halstuch mit in die Tiefe, ohne passende Faserspuren unter den Fingernägeln zu haben. Dann liegt er unten, das Tuch in der Hand oder knapp daneben. Holzhammer hatte die Situation klar vor Augen.
Und dann, was war dann passiert? Wie war das Tuch von dort in die Tasche des Bergwachtlers gekommen? Pling, pling, pling machte es in Holzhammers Kopf. Wie das Signal, dass man sich nicht angeschnallt hat. Es ging auch in gewisser Weise ums Anschnallen, nämlich um eine gewisse Bandschlinge. Die gestern bei einem ganz anderen Toten gefunden wurde. Bandschlinge – pling – Sicherungsmittel – pling – Bergwacht – pling pling pling! Hingen die beiden Morde also doch zusammen? Aber wieso denn bloß, wenn Hilde Stranek …
An dieser Stelle seiner Überlegungen hörte Holzhammer draußen den Wagen seines Chefs. Wenn man jahrelang Verkehrskontrollen durchgeführt hatte, konnte man die diversen Marken am Klang unterscheiden und sogar sagen, ob die Reifen abgefahren waren. Die Reifen von Dr. Fischer waren natürlich nicht abgefahren. Ziemlich abgefahren war allerdings, dass sie jetzt schon wieder zwei Morde am Hals hatten. Und ein ziemlich rutschiges Pflaster war das Gespräch, das er jetzt mit Dr. Fischer führen musste.
Die Sache war nämlich so, dass er gestern seinen Chef überhaupt nicht mehr erreicht hatte. Möglicherweise aus dem Grund, dass er es nur einmal versucht und diesen Versuch beim dritten Klingeln abgebrochen hatte. Aber gut.
Das bedeutete im Klartext, dass er jetzt die ganze Geschichte schon wieder erzählen musste. Wenigstens hatte er bei Christine schon geübt. Andererseits hatte er von Christine auch noch neue Informationen erhalten, die an der richtigen Stelle eingebaut werden mussten, damit Fischer nicht wieder die völlig falschen Schlüsse zog. Im Grunde war die Geschichte, die er weitergeben musste, inzwischen so umfangreich, dass er erst einmal Brotzeit machen sollte, um sich dafür zu stärken. Bis dahin hörte er möglicherweise sogar etwas von der Spurensicherung. Dadurch wurde die Geschichte zwar noch länger, aber dann würde er hoffentlich ein paar Argumente haben, um Fischer zu einer nachträglichen Genehmigung im Fall Seiler zu veranlassen. Und Josef Berg musste nicht für Gotteslohn arbeiten.
Zum Glück hatte Marie ihre vegetarischen Wochen überwunden und ihm zwei gescheite Leberkas-Semmeln eingepackt. Sonst hätte er erst zum Metzger gehen müssen. Und unterwegs den Salat entsorgen.
Während er genüsslich kaute, fiel Holzhammer auf, dass er jede Menge Dinge brauchte, die er nicht hatte: die Spuren von der Bandschlinge und aus dem Traktor, die Identität des Bergretters, das Tuch von Hilde Stranek, das Motiv von Hilde Stranek, die Verbindung vom einen Mord zum anderen … Und natürlich auch eine Obduktion vom toten Seiler. Man musste feststellen, ob der vor dem Traktor noch etwas anderes auf den Kopf bekommen hatte. Das hieß, er brauchte vor allem erst einmal seinen Chef, um diverse Dinge zu genehmigen und zu beantragen. Aber wenigstens wusste er jetzt, was er brauchte. Gestern hatte er noch gar nichts gewusst.
Das Telefon klingelte. Josef Berg war dran.
«Grias di», sagte Holzhammer, «was ist mit der Bandschlinge?»
«Leider nix, die Schlinge war nagelneu. Ka Haar, ka Hautschuppe …»
«So ein Mist!»
«… aber auf dem Karabiner san Fingerabdrücke und die gleichen auch am Lenkrad», fuhr Josef Berg triumphierend fort. «Auf dem Lenkrad san außerdem welche vom Toten. Auf dem Karabiner san nur die vom Unbekannten.»
«Du sollst einen alten Mann nicht so auf die Folter spannen», tadelte Holzhammer. «Aber super Arbeit, danke dir. Dann geh ich jetzt Fingerabdrücke besorgen.»
Holzhammer legte auf. Ein Punkt von seiner Wunschliste war damit abgehakt. Vor die Fingerabdrücke hatte der Herrgott allerdings den Fischer gestellt. Den musste er jetzt endlich ins Bild setzen. Der sollte dann schon mal die Obduktion beantragen, damit sie mit der Todesursache weiterkamen. Ihm fiel ein, dass er überhaupt noch nicht dazu gekommen war, Fischers Auftrag von gestern
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