Holzhammer 02 - Teufelshorn
auszuführen, nämlich nochmals mit der Bergwacht zu sprechen. Über die sogenannte Auffindesituation. Aber das war quasi verjährt, da er jetzt ja einen ganz neuen Grund hatte, den Bergwachtlern auf den Zahn zu fühlen. Vielleicht war es ganz gut, dass er nicht schon gestern die Pferde scheu gemacht hatte – bevor er die richtigen Fragen parat hatte. Gestern hatte er noch nichts von dem Tuch gewusst. Und er hatte nicht gewusst, dass es bei der Bergwacht nicht nur Zeugen gab, sondern möglicherweise auch einen Täter.
Holzhammer betrat das getäfelte Chefzimmer, in das malerisch die Herbstsonne fiel. Fischer ließ die Zeitung sinken. Was hatte der immer Zeitung zu lesen, er war schließlich kein Minister, über den vielleicht was in der FAZ stand. Aber er wäre zweifellos gern einer gewesen.
«Ah, sehr gut, ich wollte dich gerade anrufen», sagte Dr. Fischer.
Wäre Fischer ein Zeuge gewesen, hätte Holzhammer «unglaubwürdig» neben diese Aussage geschrieben.
«Ich wollte mal den aktuellen Stand berichten», sagte Holzhammer. «Dass Alois Seiler tot ist, weißt du natürlich schon …»
Fischer guckte entgeistert.
Ja, dachte Holzhammer, das kommt davon, wenn man morgens erst stundenlang die FAZ liest und nicht den Bericht, den ich gestern Abend noch im Schweiße meines Angesichts in den Polizeicomputer gehackt habe. Dann hatte man natürlich keine Ahnung.
Holzhammer erzählte, wie er Seiler verhören wollte und ihn im Wald tot unterm Traktor gefunden hatte. Und dann rückte er damit heraus, dass er eigenmächtig Josef Berg bestellt hatte, weil ihm die Sache verdächtig vorgekommen war. Vorwärts überrollt worden, obwohl der Rückwärtsgang eingelegt war. Und die Handbremse angezogen. Und wie Josef Berg dann die Bandschlinge entdeckt hatte. Mit Fingerabdrücken von einem Unbekannten. Und dann die Sache mit dem Tuch, die Christine ihm erzählt hatte.
«Tuch, was für ein Tuch?», fragte Fischer.
«Ein kanadisches. Rot-weiß, mit Ahornblatt. Nicht gerade eins von der Sorte, die man in Berchtesgaden überall kaufen kann. Wahrscheinlich von einer Reise nach Kanada, zu den Winterspielen. Das würde jedenfalls Sinn machen.»
«Aber es können doch trotzdem zwei völlig verschiedene Tücher sein», sagte Fischer.
«Ja freilich», sagte Holzhammer mit leichtem Sarkasmus in der Stimme. «Bestimmt war dieser Unbekannte auch in Kanada. Und hat dort eine Medaille geholt.»
«Warum eigentlich nicht, der halbe Talkessel besteht doch aus Leistungssportlern», beharrte Fischer.
Holzhammer konnte im Moment keinen Streit gebrauchen und gab sich versöhnlich: «Wie auch immer, es ist an Indiz. Und es passt zu der Bandschlinge im Traktor. Und die ist schon mehr als an Indiz, die ist ein Beweismittel. Und beides zusammen sagt mir, dass ich Fingerabdrücke von allen an der Rettung beteiligten Bergwachtlern brauche.»
«Die Alternative wäre eine Gegenüberstellung», sagte Fischer.
Holzhammer registrierte, dass Fischer Christines Namen nicht erwähnte. Das ließ sich nachholen: «Na ja, Christine hat den Mann ja nur beim ersten Mal gesehen, am Grünstein, wie er und die Stranek sich grüßten. Und beim zweiten Mal, als sie das Tuch gesehen hat, hat sie ihn ned erkennen können, sondern nur seine Stimme gehört. Es war ja dunkel, und sie wurde von seiner Stirnlampe geblendet. Sie könnte also nur sagen: ‹Ja, das war der Mann, der Frau Stranek am Grünstein gegrüßt hat.› Das bringt nix. Ist doch albern.» Der letzte Satz war Holzhammer so rausgerutscht.
Schon verfinsterte sich Fischers Miene wieder, und seine Stimme wurde schärfer: «Soso, und was sollen wir jetzt deiner Meinung nach tun?»
«Ich dachte, wir ordnen zunächst mal a Leichenschau an. Die genaue Todesursache brauchen mir auf jeden Fall.» Mit «wir» meinte Holzhammer natürlich seinen Chef. Für sich selbst hatte er die wichtigere Aufgabe vorgesehen: «Und ich schau, dass ich aussi bring, welche Bergwachtler an dem Tag im Einsatz waren. Also wer überhaupt in die Nähe der Leiche vom Stranek gekommen sein kann. Im Einsatzbericht steht ja nur, wie viele Männer wie lange mit dem Einsatz beschäftigt waren. Aber ned die Namen.»
«Warst du überhaupt gestern bei der Bergwacht, wie ich es angeordnet hatte?», fragte Fischer.
«Nein, ich war ja gestern die ganze Zeit mit dem neuen Mord beschäftigt», sagte Holzhammer. «Ich dachte, ein Mord ist vielleicht doch wichtiger. Aber eigentlich ist das kein Verlust, denn ich weiß ja jetzt erst, was ich dort
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