Home at Heart - Liebe auf Umwegen
zum Kinn, wo sie sich zu kleinen Tropfen formierten und wie Lemminge ins Nichts stürzten. Lorelai wischte die Tränen mit dem linken Unterarm weg und lief die Treppen hinauf in ihr Schlafzimmer. Sie hievte den Samsonite, den sie ganz hinten im Schrank verstaut und von dem sie gedacht hatte, sie würde ihn so schnell nicht mehr brauchen, hervor, öffnete ihn und begann, wahllos Klamotten in einem heillosen Durcheinander, genauso wie Jake noch vor zwei Minuten, hinein zu werfen. Als sich ein kleiner Berg aus Kleidung und Schuhen gebildet hatte, klappte sie den Koffer zu, stemmte sich etwas dagegen und rastete die kleinen Schnapper ein, die den Koffer schlossen. Sie zog ihn hinaus auf den Flur und schleppte ihn wie ferngesteuert die Treppen hinab. Im Wohnzimmer blieb sie am Telefon stehen und rief ein Taxi. Danach ging sie zur Vordertür hinaus. Im Türrahmen blieb Lorelai noch einmal stehen und drehte sich um. Das Wohnzimmer lag still und verlassen da und strahlte eine irrsinnige Gemütlichkeit aus. Die geblümte, weiche Couch in der Mitte, der buchenhölzerne Wohnzimmertisch und der Fernseher wirkten einladend und hießen einen willkommen. Noch vor vierundzwanzig Stunden war Lorelai der fixen Ansicht gewesen, dass sie hier in Red Oak ihr Glück gefunden hatte. Wieder lief eine einzelne Träne ihre linke Wange hinunter. Sie drehte sich um, trug den Koffer die Treppen der vorderen Veranda hinab, streichelte Flash ein letztes Mal, der auf der Weide vor dem dem Haupthaus mit drei anderen Pferden graste und zog ihn hinter sich her, die Auffahrt hinunter.
Sie hatte den Koffer auf das Bankett zwischen Straße und der vorderen, linken Koppel gestellt und sich darauf gesetzt. Trish vom Mietwagenservice hatte ihr versprochen, dass ihr Taxi in spätestens fünfzehn Minuten bei der Farm sein würde. In ihrer unmöglichen romantischen Art und Weise stellte sie sich sogar jetzt noch vor, wie Jake plötzlich die Auffahrt entlanggelaufen kam, sich zu ihr hinab beugte, sie festhielt, um Entschuldigung bat und sie zum bleiben überredete. Zweimal drehte sie sich um, als sie dachte, Schritte hinter sich zu hören, doch zweimal waren es nur die Gespenster ihrer Phantasie, die ihr einen Streich gespielt hatten. Jake kam nicht.
Jake kam nicht. Jake stand hinter dem Geräteschuppen versteckt wie ein Einbrecher, der darauf lauerte, dass die Hausbewohner ihr Grundstück verließen und er zuschlagen konnte. Er hatte nicht im Geringsten vor gehabt, sich bei ihr zu entschuldigen, immerhin war sie schuld daran gewesen, dass er den Todestag von Amy und seinem Baby vergessen hatte – und zu allem Überfluss an dem Jahrestag der schlimmsten Stunden seines Lebens noch gefeiert hatte. Kurz hatte er überlegt, ihr noch einmal nachzugehen und ihr noch einmal seine Meinung zu geigen, doch dann hatte er beschlossen, dass sie es nicht Wert war. Sie war es nicht wert, auch nur eine Sekunde mit ihr zu vergeuden. Er hasste Lorelai und wünschte sich, sie wäre niemals in Red Oak aufgetaucht. Er wünschte sich, er wäre nie auf sie hereingefallen. Nachdem sie zurück ins Haus gelaufen war, hatte er von seinem Küchenfenster aus beobachtet, wie das Licht in ihrem Schlafzimmer angegangen war. Als es nach etwa zehn Minuten wieder ausgeschaltet wurde, war er zu seiner Eingangstür gegangen und von dort zu den Stallungen. Er hatte gehört, wie sie die Vordertür geschlossen hatte und er sah, wie sie kurz darauf, ihren großen silbernen Koffer im Schlepptau, die Einfahrt hinunter marschierte. Er war etwas näher herangegangen und hatte sich hinter den Geräteschuppen gedrückt.
„Du solltest zu ihr gehen!“
Jake schrak hoch, als er Amys Stimme hörte. Obwohl er sie seit einem Jahr nicht mehr vernommen hatte, war ihre liebliche Stimme nicht zu verkennen. Er drehte sich um, weil er meinte, jemand wäre hinter ihm, doch außer einer Schwalbe, die gerade zwischen dem Schuppen und dem Stallgebäude aufflog, war niemand da.
„Im Leben nicht geh ich zu der Person, die daran schuld ist, dass ich dich vergessen habe, Amy“, sagte Jake in die Stille des Abends hinein.
Zwei Lichtkegel wurden aus Richtung Westen sichtbar und vergrößerten sich stetig. Bald darauf sah Jake einen der gelben Wagen der Red Oak Taxi Corp. – sie hatte die Wagen erst vor einem Jahr in diesem New-York-Gelb lackieren lassen und Jake fragte sich immer, wenn er einen der Wagen sah, warum eine Kleinstadt wir Red Oak Tax is brauchte, die Aussahen wie die einer Millionenmetropole – vor
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