Home Run (German Edition)
war. Dazu hätte es einer gewissen Reife und Mutes seinerseits bedurft. Die Mets waren in L. A., und als ich das Radio einschaltete, um mir die Berichterstattung vor dem Spiel anzuhören, hörte ich, wie Lindsey Nelson und Ralph Kiner sich über den Rauswurf von Warren Tracey unterhielten. Er habe sich aus der Mannschaft gepitcht. Dann sprachen sie eine Weile über seine Karriere und die Saison. Einen Monat zuvor habe er noch einen Record von sieben und sieben gehabt und gut gepitcht. Doch seit dem Vorfall mit Castle sei sein Spiel ein Desaster gewesen.
Nelson und Kiner war die Erleichterung über die Entscheidung der Mets anzuhören. Niemand, der mit den Mets unterwegs war, wollte am nächsten Tag mit Warren Tracey zusammen das Wrigley Field betreten.
Meine Mutter spielte gerade Tennis in einem Klub, der nur ein paar Häuserblocks entfernt war. Ich war der Meinung, sie sollte wissen, dass ihr Mann plötzlich arbeitslos war, je eher, desto besser. Ich fuhr mit dem Rad hinüber, sah ihr von Weitem beim Spielen zu, und als sie fertig war, fing ich sie ab, als sie gerade den Platz verließ. Es war ein schwerer Schlag für sie. Er war nicht nur aus der Mannschaft geflogen, sondern stand mit vierunddreißig Jahren sicher auch vor dem Ende seiner Karriere. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Geld sie gespart hatten oder ob sie überhaupt etwas auf der hohen Kante hatten, obwohl meine Mutter alles andere als verschwenderisch lebte. Und jetzt, wo er nichts mehr zu tun hatte, würde er mehr Zeit zu Hause verbringen, eine Vorstellung, die keinen von uns besonders freute.
Unsere kleine Welt brach auseinander. Mein Vater war arbeitslos und als Baseballspieler abgeschrieben. Er trank immer häufiger, war nachts immer häufiger unterwegs und stritt immer häufiger mit meiner Mutter, die oft Bemerkungen über ein neues Leben fallen ließ, ein Leben ohne ihn. Wir hatten zweimal unsere Telefonnummer geändert und besaßen inzwischen eine Geheimnummer. Es war nichts Ungewöhnliches, einen Streifenwagen vor unserem Haus parken zu sehen. Wir hatten Angst.
Die Cubs gewannen zwei der drei Spiele gegen die Mets. Es gab keine Schlägereien, keine Beanballs und keine Platzverweise. Als die Serie begann, führten die beiden Teams gemeinsam die National League East an, und da noch fünfzehn Spiele zu absolvieren waren, konnte sich niemand weitere Sperren oder Verletzungen leisten.
Ohne Joe im Line-up hatten die Cubs elf Spiele gewonnen und dreizehn verloren. Der Vorsprung von zehn Spielen, den sie vor drei Wochen noch gehabt hatten, war auf ein Spiel zusammengeschrumpft. Sie gingen unter, in bester Clubs-Tradition, während die Mets am Gewinnen waren. Für die Fans der Cubs war der Beanball auf Joe Castle ein gezielter Angriff gewesen, den die Mets geplant hatten, um ihn vom Feld zu bekommen und seine Mannschaft ins Straucheln zu bringen. Mit Warren Tracey hatten die Mets den perfekten Kampfhund – einen mäßig erfolgreichen Kopfjäger, der die Drecksarbeit erledigen konnte und dann problemlos entsorgt wurde. Seaver, Koosman und Matlack brauchten sich nicht die Finger schmutzig zu machen.
Das war nicht nur dummes Geschwätz der Betrunkenen in den Bars. Viele Sportreporter in Chicago waren zu Verschwörungstheoretikern geworden und gossen immer wieder Öl ins Feuer.
Manche hegten immer noch die glühende, aber schwindende Hoffnung, dass Joe aus dem Koma erwachen, aus dem Bett springen, das Krankenhaus verlassen und dort weitermachen würde, wo er aufgehört hatte. Doch mit jedem Tag setzte sich die traurige Realität ein bisschen mehr durch. Wartet bis nächstes Jahr, hatten die Cubs immer gesagt, doch jetzt meinten sie es auch so. Wartet bis nächstes Jahr, wenn Joe wieder da ist, ein Jahr älter und mit mehr Erfahrung. Wartet.
Am 18 . September, dem Tag, an dem die Serie endete und die Mets nach Montreal weiterzogen, wachte Joe Castle auf und sprach mit einer Krankenschwester. Ein Lokalsender berichtete darüber, und meine Mutter hörte es zuerst. Sie sagte es mir, und ich fuhr zu Tom Sabbatini hinüber, um mit ihm über die aufregenden Neuigkeiten zu sprechen. Mr. Sabbatini wusste, was ich durchmachte, und bot an, uns am folgenden Samstag ins Krankenhaus zu begleiten.
Am nächsten Tag ging ich nach der Schule in die Bücherei und las die Berichte in der Tribune und der Sun-Times. Joes Zustand war immer noch ernst, doch wenigstens war er wach, redete und aß. Red saß an seinem Bett und war damit einverstanden, dass ein Reporter der
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