Home - Wieder zu Hause
passiert.“
Erschrocken meldete sich Ben zu Wort: „Ich bin nicht schwul!“
Jetzt schrie ich meinen Bruder an: „Soll das heißen, dass das alles gar nicht so geschehen ist, Ben? Willst du behaupten, dass Clark gelogen hat?“
„Nein, das meine ich nicht. Es war so, wie er es erzählt hat. Aber ich bin nicht schwul!“
Mir fiel auf, dass er die eigentliche Anschuldigung nicht geleugnet hatte. Mein Bruder war also doch schwul, wollte es aber nicht wahrhaben. Wahrscheinlich war das einer der Gründe dafür, dass er seine Frauen wechselte wie andere die Unterwäsche.
„Sicher, du bist nicht schwul. Du hast nur zufällig einen anderen Mann angebaggert. Ein absolut normales, heterosexuelles Verhalten. Von mir aus. Trotzdem würde mich interessieren, was du eigentlich erreichen wolltest. Dass kein anderer Mann Clark bekommt, nur weil du ihn nicht haben kannst? Hast du mich deshalb dazu überredet, ihn zu betrügen? Ich frage mich wirklich, warum mir das nicht schon früher aufgefallen ist.“
„Nein! Natürlich nicht. Ich wollte dich vor ihm in Schutz nehmen! Ich habe versucht, vernünftig mit dir zu reden. Aber du warst so verdammt stur und hast nicht auf mich gehört. Clark hatte dich irgendwie davon überzeugt, dass du in ihn verliebt bist. Wenn ich nichts dagegen getan hätte, wärst du nie von ihm losgekommen.“
Seine Logik machte mich baff und ich verdrehte die Augen.
„Mein Gott, Ben. Wird dir nicht auch manchmal schlecht, wenn du dich reden hörst? Warum hätte ich von ihm loskommen wollen?“
„Weil du mit ihm kein normales Leben haben kannst, Noah! Du kannst nie heiraten, nie Kinder und eine richtige Familie haben. Du kannst nicht in den gleichen Berufen arbeiten wie normale Menschen. Du hast keine Freunde mehr und die Leute sehen dich auf der Straße schräg an, weil sie wissen, dass du mit einem Mann zusammen bist. Die Trennung von Clark ist deine einzige Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Du kannst mir glauben, ich habe es selbst probiert und es funktioniert.“
Er fuchtelte aufgeregt mit den Händen und sah mich mit wilden Augen an. Mir wurde klar, dass er gar nicht über mich sprach. Er wiederholte nur einen inneren Dialog, der sich in seinem Kopf abspielte.
„Wow. Das ist der pure Wahnsinn, den du da von dir gibst.“
„Was soll das? Es ist die Wahrheit!“
„Ben, ich bin schwul. Und ich war es schon lange, bevor ich Clark kennengelernt habe. Ich war es in den vier Jahren, die ich im Internat verbracht habe, und ich werde es den Rest meines Lebens bleiben. Ich habe Freunde und ich habe einen guten Job. Clark hat mir die beste Familie gegeben, die ich jemals hatte. Und es ist mir scheißegal, ob fremde Leute das wissen oder nicht und ob sie mich deswegen schräg ansehen. Aber eines kann ich dir versprechen: Sie können sich nicht ansatzweise vorstellen, wie wunderbar es ist.“
Hinter mir hörte ich Clarks Stimme: „Beruhige dich, Noah.“
„Warum sollte ich mich beruhigen? Er will nicht daran denken, dass du einen anderen Mann hast. Das verstehe ich ja. Aber hast du den anderen Mist gehört, den er von sich gegeben hat?“
Ich wandte mich wieder meinem Bruder zu.
„Du gewinnst den Preis für den erbärmlichsten überkompensierenden Homo des Jahres, Ben. Fickst du deine hübschen kleinen Freundinnen eigentlich wirklich oder versteckst du dich nur hinter ihnen, damit keiner die Wahrheit erfährt? Wie sieht dein Plan für den Rest deines Lebens aus, großer Bruder? Hast du etwa vor, eine von ihnen zu heiraten und eine Scheinidylle aufzubauen, während du innerlich langsam stirbst? Oder willst du nebenher heimlich in Clubs oder Massagesalons gehen, um andere Männer zu treffen? Hey, mit etwas Glück werden wir das alles erfahren, wenn die Kinder groß sind und deine Frau dich verlässt. Ist es das, was du unter normal verstehst, Ben?“
Mein Bruder hatte Clark und mich nie als Paar erlebt. Als wir zusammenkamen, studierte er auf einer anderen Universität und wir sahen uns nur in den Ferien, wenn wir unsere Eltern besuchten. Ich hatte mich immer gefragt, warum Ben und Clark nicht öfter miteinander telefonierten oder warum Ben keine Zeit mit seinem Freund verbringen wollte, wenn wir uns bei meinen Eltern trafen. Aber da uns sein Verhalten dabei half, unsere Beziehung vor meinen Eltern zu verheimlichen, hatte ich nie sehr intensiv darüber nachgedacht.
Als Ben dann nach seinem Abschluss wieder nach Emile City zurückkam, habe ich mich geouted und wir sahen uns aus
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