Homeland: Carries Jagd: Thriller (German Edition)
wissen genau, was ich damit meine, sonst würden Sie nicht versuchen, sie zu schützen. Ich muss mit ihr reden.« Sie beschloss, einen Schritt weiterzugehen. »Dima ist nämlich bereits tot, Madame.«
Die Frau starrte sie fassungslos an. »Tot? Was reden Sie da?«
»Ich muss Marielle sprechen. Es ist sehr, sehr dringend.«
»Sind Sie Amerikanerin?« Die Frau musterte sie eingehend.
»Ja. Ich bin Carrie, eine Freundin.«
»Warten Sie.« Die Frau ging nach nebenan, und Carrie hoffte, dass sie Marielle holte.
Es war alles seltsam. Diese Frau, vermutlich eine Verwandte von Marielle, sah kein bisschen armenisch aus, und in der Woh nung gab es ebenfalls nichts, was auf diese Herkunft hindeutete. Kein Kreuz, keine Bilder vom Berg Ararat, gar nichts. Warum lebte sie dann in Bourj Hammoud? Vielleicht aus Sicherheitsgründen – weil hier jeder jeden kannte und ein Fremder sofort auffiel.
Im Fernsehen wurde Kinda gerade von einem Mann im Businessanzug bedroht, als die Frau zurückkam. »Sie trifft sich mit Ihnen heute nach Mitternacht im B018. Kommen Sie allein, sonst spricht sie nicht mit Ihnen.« Die Frau runzelte besorgt die Stirn. »Tut mir leid wegen der Vorsichtsmaßnahmen.«
»Nein, es ist schon richtig«, betonte Carrie. »Sie ist vielleicht in großer Gefahr.«
Der Nachtclub B018 lag in Karantina zwischen dem Beirut-Fluss, einem schmalen Rinnsal, und dem Hafen. Während des Ersten Weltkriegs war das Viertel ein Zufluchtsort für viele armenische Flüchtlinge gewesen, die den von den Türken verübten Massakern an ihrem Volk entkommen konnten. Später, während des libanesischen Bürgerkriegs, befand sich hier ein Lager für palästinensische Flüchtlinge, danach siedelte sich Industrie in der Gegend an. Und mittendrin seltsamerweise der exklusivste Club der Stadt.
Von außen wirkte das B018 wie ein Raumschiff aus Beton, und während Carrie die Treppe zum unterirdisch gelegenen Eingang hinunterstieg, fragte sie sich, ob ihr Minikleid auch wirklich kurz genug war. Es war eines dieser Lokale, wo es auf solche Dinge ankam. Durch die geschlossene Tür hörte sie das Wummern der Musik so laut, dass die Wände vibrierten, und noch bevor sie an den Türstehern vorbei war, legte ein Mann im Hugo-Boss-Jackett den Arm um ihre Taille und fragte sie, ob sie einen Johnnie Walker Blue Label wolle. Zu Clubpreisen hätte so ein Drink um die fünfhundert Dollar gekostet.
»Vielleicht später«, antwortete sie und löste sich aus seinem Griff. Die Türsteher musterten sie eingehend – es dauerte nur Sekunden, kam ihr jedoch vor wie eine Ewigkeit – und winkten sie durch; das Terani-Kleid und die Jimmy-Choo-Schuhe erfüllten offenbar ihren Zweck. Der Hauptraum, der wie ein Hangar mit einer endlos langen Theke wirkte, war gerammelt voll. Viele Anwesende tanzten ekstatisch zu Chris Browns »Run it«. Einige Frauen in hautengen Miniröcken wanden sich auf dem Bartresen zum Rhythmus der Musik, was begeistertes Gejohle hervorrief.
Jemand drückte ihr einen Cocktail in die Hand, während ein umwerfendes Mädchen mit goldenem Lidschatten und violet tem Lippenstift sie eingehend betrachtete. »Was für ein hübsches Gesicht, Cherie «, sagte sie. »Darf ich dich küssen?«
Ohne die Antwort abzuwarten, küsste sie Carrie auf die Lippen und schob blitzschnell die Zunge in ihren Mund. Ganz anders, als einen Mann zu küssen, dachte Carrie. Irgendwie sanfter, verwirrend, nicht uninteressant .
»Komm mit«, sagte das Mädchen und legte ihr die Hand auf die Brust.
»Vielleicht später«, antwortete Carrie – diese Worte wurden langsam zu ihrem neuen Mantra – und eilte weiter. Sie schlängelte sich um die Tanzfläche herum, während sie nach Marielle Ausschau hielt. Sie hatte nur das eine Foto zur Orientierung und konnte bloß hoffen, dass die junge Frau ihr Äußeres nicht allzu sehr verändert hatte.
Ein Mann nahm ihre Hand und küsste sie. »Darf ich dich auf einen Drink einladen, Habibi? «, sagte er. Sie löste ihre Hand aus seinem Griff und ging weiter. Die Musik war ohrenbetäubend, laserartige Lichter flammten auf, und jemand verkün dete, gleich werde das Dach geöffnet, um das Sternenlicht hereinzulassen. Doch nichts geschah, außer dass die Musik wechselte und die Leute jetzt ekstatisch zu den Klängen der finnischen Symphonic-Metal-Band Nightwish tanzten.
Carrie sah ein Mädchen, das Marielle sein konnte, am anderen Ende der Bar sitzen. Sie überquerte die Tanzfläche, wurde zweimal betatscht und konnte sich mit knapper
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