Homicide
der Jahre ziemlich abgenutzt hat. Idealerweise sollte das Geschrei so laut sein, dass der Verdächtige Angst bekommt, dass es gleich richtig zur Sache geht; andererseits muss der Detective aufpassen, dass er nicht wirklich handgreiflich wird, um die Aussage nicht zu gefährden. Sagen Sie dem Gericht, warum Sie sich bedroht fühlten. Hat der Detective Sie geschlagen? Hat er es versucht? Hat er gedroht, Sie zu schlagen? Nein, aber er hat mit der Faust auf den Tisch gehauen, dass es gekracht hat.
Ach, Sie Ärmster. Antrag auf Ausschluss der Beweise abgelehnt.
In diesem unserem aufgeklärten Zeitalter schlägt kein guter Detectivemehr einen Verdächtigen, zumindest nicht, um ihn zum Reden zu bringen. Ein Verdächtiger, der einem Detective eins über die Rübe gibt, der herumtobt und gegen die Möbel tritt, der sich gegen das Anlegen von Handschellen wehrt, kriegt genauso einen deftigen Arschtritt wie draußen auf der Straße. Bestandteil eines Verhörs ist so etwas aber nicht. Für Baltimore gilt das schon seit fünfzehn Jahren.
Einfach gesagt, die Anwendung von Gewalt lohnt das Risiko nicht – und dabei geht es nicht nur um das Risiko, dass eine unter solchen Umständen gemachte Aussage später nicht als Beweis zugelassen wird, sondern auch um die Gefahr für die Laufbahn und die Pension des Detective. Anders liegt der Fall, wenn es sich bei dem Opfer um einen Polizisten oder den Angehörigen eines Polizisten handelt. Ein klug vorausschauender Detective wird dann den Verdächtigen nach dem Verhör fotografieren, um beweisen zu können, dass er unverletzt ist, und die Prügel, die er vor seiner Überstellung ins Gefängnis dann doch bezogen hat, jedenfalls nicht von seinem Aufenthalt im Morddezernat herrühren.
Aber das kommt selten vor, bei der überwiegenden Zahl der Morde gibt es nichts, was ein Detective persönlich nehmen müsste. Den Toten kennt er nicht, den Verdächtigen hat er gerade erst kennengelernt, und er wohnt auch nicht in der Gegend, in der das Verbrechen geschah. Welcher städtische Beamte mit Verstand wird also seine Karriere aufs Spiel setzen, nur um zu beweisen, dass am Abend des 7. März 1988 ein Dealer namens Stinky in irgendeinem gottverlassenen Winkel von West Baltimore einen Junkie namens Pee Wee wegen 35 Dollar Schulden erschossen hat?
Dennoch denken die Geschworenen der Bezirksgerichte bei Hinterzimmern, Verhörlampen und Nierenschlägen meist gleich an ein Komplott. Ein Detective aus Baltimore verlor einmal seinen Fall vor Gericht, weil der Angeklagte aussagte, er habe erst gestanden, nachdem zwei Detectives mit einem Telefonbuch auf ihn eingeschlagen hätten. Der verantwortliche Detective wurde während dieser Aussage nicht in den Prozesssaal gelassen, und als er in den Zeugenstand trat, fragte ihn der Verteidiger, welche Gegenstände sich bei dem Verhör im Raum befunden hätten.
»Der Tisch. Stühle. Ein paar Unterlagen. Ein Aschenbecher.«
»Lag da nicht auch noch ein Telefonbuch?«
Der Detective dachte nach und erinnerte sich, ja, sie hatten ein Telefonbuch geholt, um eine Adresse nachzuschlagen. »Ja«, räumte er ein. »Ein Branchenbuch.«
Erst als der Verteidiger die Geschworenen zustimmend ansah, wurde dem Cop klar, dass da etwas falsch lief. Nach dem Freispruch des Angeklagten schwor sich der Detective, nie mehr ein Verhör durchzuführen, ehe er alle unnötigen Gegenstände aus dem Raum entfernt hatte.
Auch die Zeit kann die Glaubwürdigkeit eines Geständnisses beeinträchtigen. Es bedarf stundenlanger Anstrengungen in dem isolierten Verhörraum, jemanden so weit zu brechen, dass er bereit ist, ein Delikt zu gestehen, doch gerade die vielen Stunden lassen oft Zweifel an der Aussage aufkommen. Selbst unter den günstigsten Bedingungen dauert es vier bis sechs Stunden, um einen Verdächtigen zu brechen, und auch zehn bis zwölf Stunden sind noch zu rechtfertigen, sofern der Betreffende etwas zu essen bekommt und zur Toilette gehen kann. Doch wenn jemand mehr als zwölf Stunden ohne Rechtsbeistand in einem Raum isoliert war, wird selbst ein verständnisvoller Richter Bedenken haben, ein Geständnis oder eine Aussage wirklich als freiwillig zu betrachten.
Und woher weiß ein Detective, dass er den Richtigen vor sich hat? Nervosität, Angst, Verwirrung, Feindseligkeit, eine Geschichte, die immer wieder anders lautet oder Widersprüche beinhaltet – all das sind Anzeichen dafür, dass der Verhörte lügt, besonders in den Augen von jemandem, der so misstrauisch ist wie ein
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