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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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für den Straßenverkauf gedacht war. Dann berichtet er, dass sein Vater das Zeug entdeckt und ihm weggenommen habe, über den Streit, darüber, dass sein Vater ihm nicht zugehört habe und mit dem Kokain zu seiner Wohnung in der Lafayette Avenue gefahren sei. Vincents Kokain. Fraziers Kokain.
    Er erzählt, dass er zu Denise in die Amity Street gegangen sei, um Frazier davon zu berichten, ihm zu gestehen, dass er Scheiße gebaut habe und sein Vater ihren Stoff an sich genommen habe. Frazier habe verärgert zugehört, dann habe er ihn um die Patronen gebeten. Aus Angst habe er ihm sechs Wadcutter gegeben, die er aus der Tabaksdose auf dem Schreibtisch in der Wohnung seines Vaters geklaut habe. Frazier sei dann allein in die Lafayette Avenue gefahren.
    Er habe sich gedacht, Frazier werde seinem Vater drohen und sich den Stoff zurückholen. Er habe nicht an einen Mord gedacht. Er weiß nicht, was in der Wohnung seines Vaters geschah.
    Scheiße, denkt Garvey, während er zuhört. Wir wissen verdammt gut, was dort passiert ist. Ich weiß es, du weißt es, Kincaid hier weiß es. Robert Frazier ist von der Party bei Denise total zugekokst mit einer geladenen 38er und einem Jagdmesser bei deinem Vater aufgekreuzt, um sich den Stoff zurückzuholen. Wahrscheinlich hat dein Daddy Frazier gesagt, er soll sich zum Teufel scheren.
    Dieses Szenario erklärt, warum Purnell Bookers Wohnung durchsucht wurde, und die mehrfachen oberflächlichen Schnittwunden im Gesicht des alten Mannes. Diese Folter hat Purnell Booker zum Reden bringen sollen, und die durchwühlte Wohnung lässt darauf schließen, dass er nicht geredet hat.
    Aber warum am selben Abend auch Lena umbringen? Und auf dieselbe Art und Weise? Vincent behauptet, von diesem Mord nichts zu wissen, und trotz allem, was Garvey bisher herausgebracht hat, hat auch er keine Ahnung. Vielleicht hat Frazier geglaubt, Lena habe irgendwie mit dem entwendeten Stoff zu tun. Vielleicht hat sie ein wenig in den Stoff hineingeschnuppert. Vielleicht hat sie etwas zu Frazier gesagt, was ihm nicht besonders gefiel. Vielleicht war Frazier so im Rausch, dass er einfach noch nicht genug vom Töten hatte. Vielleicht A und B oder B und C oder alles zusammen. Spielt das eine Rolle? Nicht für mich, denkt Garvey. Nicht mehr.
    »Du warst dort, stimmt’s, Vincent? Du bist mit Frazier zu deinem Vater gegangen, ja?«
    »Nein«, sagt der Junge, »ich habe ihm bloß die Patronen gegeben.«
    Mist, denkt Garvey. Du warst dort, als Robert Frazier deinen Vater umgebracht hat. Warum sonst ist das hier so schwer? Angst vor einemMann wie Frazier zu haben, ist das eine, etwas anderes ist es, Angst davor zu haben, der eigenen Familie die Wahrheit zu erzählen. Garvey dringt über eine halbe Stunde weiter in den Jungen, aber es bringt nichts. Vincent Booker wagt sich nicht weiter an den Abgrund heran. Er steht, überlegt Garvey, schon dicht genug davor.
    »Wenn du uns hinhältst, Vincent …«
    »Nein, tu ich nicht …«
    »Du kommst dann nämlich vor eine Grand Jury, und wenn du die anlügst, ist das der größte Fehler, den du je gemacht hast.«
    »Nein, Sir.«
    »Gut. Ich werde das jetzt aufschreiben und es von dir unterschreiben lassen«, sagt Garvey. »Wir fangen von vorn an und gehen alles ganz langsam durch, damit ich es aufschreiben kann.«
    »Ja, Sir.«
    »Wie heißt du?«
    »Vincent Booker.«
    »Dein Geburtsdatum …«
    Jetzt also die amtliche Version, kurz und knapp. Garvey stöhnt leise und schreibt.
    Freitag, 11. März
    Mit der rechten Hand zieht Garvey die 38er aus seinem Hüfthalfter und verbirgt sie, indem er sie an seinem Hosenbein hinunterschiebt.
    »Frazier, machen Sie auf.«
    Der Uniformierte, der neben dem Detective steht, bewegt sich auf die Eingangstür des Hauses in der Amity Street zu.
    »Soll ich sie eintreten?«, fragt er.
    Garvey schüttelt den Kopf. Nicht nötig. »Frazier, mach auf.«
    »Wer ist da?«
    »Detective Garvey. Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    »Jetzt?«, sagt eine Stimme hinter der Tür. »Ich muss …«
    »Ja, jetzt. Machen Sie endlich auf.«
    Die Tür öffnet sich halb, und Garvey schlüpft hinein, die Waffe immer noch fest an den Oberschenkel gedrückt.«
    »Was ist los?«, fragt Frazier und tritt zurück.
    Plötzlich hebt Garvey den kurzläufigen Revolver und hält ihn dem Mann vors Gesicht. Frazier sieht in das schwarze Loch des Laufs, dann wieder zu Garvey. Er blinzelt im Kokainnebel.
    »Los, an die Wand!«
    »Was …«
    »Los, du Scheißkerl, die Pfoten an

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