Homicide
mysteriösen Tods von John Randolph Scott zu bringen. Worden selbst war auch schon von dieser Kammer befragt worden. Mehrere Jurymitglieder hatten sich gezielt nach den einzelnen Schritten der an der Verfolgung Scotts beteiligten Officers erkundigt – vor allem, da sie mittlerweile den Mitschnitt des Funkverkehrs des Central Districtkannten. Worden aber konnte ihnen nicht weiterhelfen: Der Fall beginnt und endet mit der Leiche eines jungen Mannes auf einem Gelände in West Baltimore und einem Trupp von Polizisten aus dem Western und dem Central District, die allesamt behaupten, nichts über den Vorfall zu wissen.
Wordens einziger ziviler Zeuge – der in einem Zeitungsartikel als potenzieller Verdächtiger bezeichnet wurde – ist zwar vor der Grand Jury erschienen, hat jedoch von seinem im Fünften Verfassungszusatz garantierten Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, um sich nicht selbst zu belasten. Sergeant Wiley wiederum, der den Toten fand und der noch nicht erklärt hatte, warum er die erste Suchmeldung über Funk zurückrief, wurde bisher noch nicht als Zeuge gehört.
Wir rufen Wiley erst dann auf, wenn alles andere ins Leere führt, hatte Doorey Worden erklärt, denn wenn er schuldig ist, wird er sich ebenfalls auf den Fünften Verfassungszusatz berufen. Sollte es so weit kommen, stehen uns ohnehin kaum noch Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder wir lassen zu, dass er die Aussage verweigert, dann spaziert er wieder raus, und wir haben keine ausreichenden Beweise für ein wie auch immer geartetes Verfahren. Oder wir sichern ihm Straffreiheit zu, um ihn zu einer Aussage zu bewegen. Und was machen wir, wenn uns John Wiley unter dem Versprechen der Straffreiheit gesteht, den Jungen erschossen zu haben? Dann haben wir ein Verbrechen aufgeklärt, ohne den Täter belangen zu können.
Wenn Worden nachmittags vom Gericht zurückkehrt, arbeitet er abends auf Schicht und kümmert sich um Schießereien, Selbstmorde und letztlich auch wieder um neue Morde. Zum ersten Mal seit seiner Versetzung ins Morddezernat kann Worden sie nicht lösen.
Da Worden eine Säule seines Teams ist, beobachtet McLarney diese Entwicklung mit einer gewissen Sorge. Jeder Detective hat seine Quote ungelöster Fälle, doch dass zwei in Folge offen blieben, hatte es bei Worden bisher noch nie gegeben.
Während einer Nachtschicht hatte McLarney kürzlich auf die roten Namen auf der Tafel gezeigt. »Einen davon werden wir lösen«, hatte er erklärt. Und dann hatte er, ebenso für sich selbst wie für die anderen, hinzugefügt: »Donald kann es nicht ertragen, dass zwei hintereinander so stehen bleiben.«
Beim ersten Fall, er war vom März, handelte es sich um einen Drogenmord in der Edmondson Avenue. Für die Schießerei auf der Straße hatten sie lediglich einen potenziellen Zeugen, einen vierzehnjährigen Jungen, der aus einer Einrichtung für jugendliche Straftäter ausgerissen war. Doch ob sie den Jungen finden konnten und ob er eine Aussage machte, war alles andere als sicher. Den zweiten Fall hingegen hatten sie eigentlich als Dunker eingeschätzt. Am oberen Ende der Ellamont war ein Streit eskaliert, und als der zweiunddreißigjährige Dwayne Dickerson eingriff, um zu schlichten, wurde ihm von hinten in den Kopf geschossen. Nachdem man alle Beteiligten ins Präsidium gekarrt und vernommen hatte, musste sich Worden mit der deprimierenden Tatsache abfinden, dass niemand den Täter kannte und wusste, wieso er mit seiner Waffe durch Baltimore zog. Allem Anschein nach – und die Zeugenaussagen stimmten darin überein – hatte der Schütze mit der eigentlichen Auseinandersetzung nichts zu tun gehabt.
McLarney möchte vielleicht gern glauben, dass Worden zwei rote Namen auf der Tafel unerträglich findet, doch solange im Mordfall Dickerson kein Hinweis hereinkommt, kann sein Ermittler kaum etwas anderes tun, als frühere Schusswaffenüberfälle aus dem Südwesten zu überprüfen und zu hoffen, dass es irgendwelche Übereinstimmungen gibt. Das hatte Worden auch seinem Sergeant erklärt. McLarney aber fühlte sich an die Monroe Street erinnert. Seiner Ansicht nach hatte das Präsidium den besten Detective seines Teams dazu benutzt, um gegen andere Cops zu ermitteln, und ein Mann wie Worden steckte so etwas weiß Gott nicht einfach weg. Seit zwei Monaten versuchte McLarney, ihn vom Scott-Fall fortzulocken und wieder in die reguläre Schicht einzugliedern. Man müsste dem Mann mit neuen Morden auf sein Pferd helfen, denkt McLarney. Er
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