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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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inzwischen einem anderen Thema zugewandt.
    »Über Fred würde ich das nicht sagen«, meint Requer so leise, dass nur Pellegrini es hören kann. »Ganz und gar nicht.«
    Pellegrini nickt zwar, fühlt sich aber plötzlich unwohl. Fred Ceruti und er waren gleichzeitig in Landsmans Team gekommen und hatten dort Stellen besetzt, die innerhalb einer Woche frei geworden waren. Wie Requer ist auch Ceruti schwarz, doch er hat nicht wie dieser sechs Jahre im Drogendezernat geschmort, ehe er ins Morddezernat kam, sondern war nach nur vier Jahren Dienstzeit direkt aus dem Eastern District in den fünften Stock der Zentrale abberufen worden – und zwar auf persönlichen Wunsch des Captain, dem seine Arbeit als Ziviler auf Districtebene aufgefallen war. Doch für Requer sind derartige Referenzen nicht genug.
    »Ich meine, ich mag Fred, ich mag ihn wirklich«, sagt Requer. »Aber er ist noch nicht reif fürs Morddezernat. Wir sind mit ihm die Fälle durchgegangen, haben ihm gezeigt, was getan werden muss, aber er schnallt es einfach nicht. Er ist noch nicht so weit.«
    Pellegrini schweigt. Requer ist der dienstälteste Detective in seinem Team und einer der erfahrensten schwarzen Detectives des Morddezernats.Er hat sich in einer Zeit im CID nach oben gearbeitet, als sich schwarze Ermittler in den Mannschaftsräumen der Reviere bei Lagebesprechungen noch rassistische Witze anhören mussten. Und Pellegrini weiß, dass es für so jemanden nicht leicht ist, ihm, dem italienischen Jungen, ein gutes Zeugnis auszustellen und Ceruti durchfallen zu lassen.
    »Ich sage euch eins.« Requer wendet sich wieder an die Detectives, die an der Theke stehen. »Wenn jemand aus meiner Familie ermordet würde, oder wenn man mich umbringen würde, dann müsste Tom den Fall übernehmen.«
    »Du hast ganz schön einen sitzen«, bemerkt Pellegrini.
    »Stimmt nicht, Alter.«
    »Ja dann, Rick, danke für dein Vertrauen. Vielleicht werde ich deinen Mord nicht lösen können, aber ich werde dabei ganz bestimmt ein paar Überstunden machen.«
    Requer lacht, dann ruft er Nicky. Der gießt ihm noch einen letzten Drink auf Kosten des Hauses ein, und der Detective lässt den Scotch in einem einzigen routinierten Zug die Kehle hinunterlaufen.
    Die beiden stehen auf, durchqueren das Restaurant und treten durch die Doppeltüren auf die Water Street. Drei Monate später werden die Market Bar und das Fischrestaurant zu einem schicken französischen Lokal namens »Dominique’s« umgebaut. Die Gäste werden besser angezogen sein, das Essen teurer und die Speisekarte für einen gewöhnlichen Mordermittler nicht mehr ganz so verständlich wie zuvor. Nicky wird woanders arbeiten, der Preis für einen Drink in den Vier-Dollar-Bereich klettern und den Trupps aus dem Präsidium, die die Bar bevölkern, wird man erklärt haben, dass sich ihre Besuche nicht länger mit dem Image des Restaurants vereinbaren lassen. Bislang aber gehört die Market Bar noch ebenso zum Territorium des Polizeipräsidiums von Baltimore wie das Kavanaugh’s oder die Lounge der Polizeigewerkschaft.
    Pellegrini und Requer biegen in die Frederick Street und schlendern jenen Abschnitt entlang, auf dem Bob Bowman seinen legendären Mitternachtsritt absolvierte. Kein Detective des Morddezernats kann an dieser Stelle vorbeigehen, ohne zu grinsen oder den betrunkenen Bowman vor Augen zu haben, der sich von einem Berittenen ein Pferd ausgeborgt hatte und vor den Panoramafenstern der Market Bar auf- undabgeritten war, während sich auf der anderen Seite der Scheibe eine Handvoll Detectives halb kranklachte. Mit seinen knapp ein Meter sechzig wirkte Bo, als er auf dem Pferd hockte, wie eine Kreuzung aus Napoleon und dem Jockey Willie Shoemaker
    »Kannst du noch fahren?«, fragt Pellegrini.
    »Ja, Alter, geht schon.«
    »Bist du sicher?«
    »Verdammt, ja.«
    »Okay.«
    »He!, Tom«, sagt Requer, ehe er hinüber auf den Parkplatz in der Hamilton Street geht. »Wenn der Fall nicht zu lösen ist, dann ist er eben nicht zu lösen. Lass dich davon nicht runterziehen.«
    Pellegrini lächelt.
    »Ich meine es ernst.«
    »Gut, Rick.«
    »Ehrlich.«
    Als Pellegrini so dasteht und lächelt, sieht er aus wie ein Ertrinkender, der nicht mehr gegen die Strömung ankämpfen mag.
    »Echt, mein Freund. Tu, was du kannst, aber dann lass es gut sein. Wenn es keine Spuren gibt, dann gibt es eben keine. Du tust dein Bestes … »
    Requer schlägt dem jüngeren Detective mit der flachen Hand auf die Schulter, dann fischt er seine

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