Homicide
ungezügelten Alkoholkonsum steht.
»Komm mit, Alter, lass uns einen heben!«
»Gehst du?« Pellegrini blickt auf.
»Ja, ich bin weg. Barricks Trupp ist schon zur Spätschicht da.«
Pellegrini schüttelt den Kopf und deutet auf die vor ihm liegenden Papierstapel. »Ich will das hier noch durchgehen.«
»Du überarbeitest den Fall noch mal?«, fragt Requer. »Meinst du nicht, dass er auch bis morgen warten kann?«
Pellegrini zuckt die Achseln.
»Komm schon, Tom. Nimm dir mal ’nen Abend frei.«
»Ich weiß nicht. Wo willst du hingehen?«
»Ins Market. Eddie Brown und Dunnigan sind schon dort.«
Pellegrini lässt es sich durch den Kopf gehen. »Wenn ich noch ein paar Sachen fertig kriege«, sagt er schließlich, »komme ich vielleicht nach.«
Keine Chance, denkt Requer, als er zum Fahrstuhl geht. Unwahrscheinlich, dass Pellegrini in der Market Bar auftaucht, wenn er sich genauso gut vier Stunden mit dem Wallace-Fall herumschlagen kann. Daher ist Requer ziemlich verdutzt, als sich Pellegrini dreißig Minuten später neben ihn an die Bar schiebt. Ganz unvermittelt hat Pellegrini dem Fall ohne Mitleid den Rücken gekehrt, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Außerdem ist ein Besuch in der Market Bar auch eine gute Möglichkeit, um sich ein bisschen auf die Schulter klopfen zu lassen und das Selbstvertrauen wieder aufzurichten. Und wie es aussieht, ist Requer, schon ein bisschen aufgeheizt von gutem Scotch, genau der Richtige für diesen Job.
»Mensch, Tom!«, sagt Requer. »Was willst du trinken, Alter?«
»Bier.«
»He!, Nick, gib dem Mann, was er will. Geht auf mich.«
»Was hast du bestellt?«, fragt Pellegrini.
»Glenlivet. Gutes Zeug. Willst du auch einen?«
»Nein. Bier ist genau das Richtige.«
Und so trinken sie eine Runde nach der anderen, bis die übrigen Detectives eintreffen und die Fotos vom Fundort, die Zeugenaussagen und die Protokolle nicht mehr ganz so nah und Latonya Wallace eher als ein Scherz der Götter denn als Tragödie erscheint. Sisyphos mit seinem Stein. De León und sein Jungbrunnen. Pellegrini und sein totes Mädchen.
»Ich sage euch eins«, meint Requer großspurig und setzt das Glas an die Lippen. »Als Tom bei uns angefangen hat, dachte ich, er taugt nichts. Ich meine …«
»Und jetzt hast du mich bei der Arbeit gesehen«, ergänzt Pellegrini halb im Ernst, »und weißt, dass ich gut bin.«
»Nein, Alter.« Requer schüttelt den Kopf. »Das weiß ich, seit du den Fall in den Projects geknackt hast. Wie hieß der Junge noch mal?«
»Welchen meinst du?«
»Den im Hochhaus. An der East Side.«
»George Green«, sagt Pellegrini.
»Genau, Green.« Requer winkt mit seinem leeren Whiskyglas nach Nicky, dem Barmann. »Alle haben zu ihm gesagt, der Fall ist aussichtslos. Ich auch. Ich hab’ ihm …« Requer hält inne, weil Nicky ihm nachschenkt, und fährt erst fort, nachdem er die Hälfte des Glases hinuntergekippt hat. »Wo war ich gerade?«
Pellegrini zuckt lächelnd die Achseln
»Ach ja, das war ein ganz beschissener Fall, so richtig beschissen. Drogenmord im Hochhaus, genau. Ein schwarzer Junge von drüben aus der Aisquith Street, der sowieso allen egal ist. Keine Zeugen, und auch sonst rein gar nichts. Ich hab ihm gesagt, vergiss das Arschloch und such dir einen anderen Fall. Aber denkst du, er hört auf mich? Oder auf die anderen? Und auf Jay hört der verbohrte Mistkerl sowieso nicht. Er zieht alleine los und arbeitet zwei Tage vor sich hin. Hört einfach nicht auf uns. Und was, denkste, passiert?«
»Keine Ahnung.« Pellegrini spielt den Dummen. »Was denn?«
»Du hast den Scheißfall gelöst.«
»Echt?«
»He!, verarsch mich nicht!« Requer wendet sich wieder an sein Publikum vom CID. »Er geht hin und löst den Scheißfall ganz allein. Da wusste ich, dass Tom es packen wird.«
Pellegrini sagt nichts mehr. Es ist ihm peinlich.
Requer blickt kurz über die Schulter und stellt fest, dass ihn der Jüngere nicht ernst nimmt.
»Nein, ehrlich, Tom. Ehrlich.«
»Wirklich?«
»Ja, ehrlich.«
Pellegrini trinkt einen Schluck Bier.
»Verflixt, ich sage das nicht, weil du hier bist, Junge. Ich sage das, weil es stimmt. Als du gekommen bist, dachte ich, du bist schlecht. Wirklich schlecht, meine ich. Aber du hast verdammt gute Arbeit geleistet. Ehrlich.«
Pellegrini lächelt und hebt sein leeres Glas in Richtung Nicky, um ein letztes Bier zu ordern. Er schiebt es über die Theke und zeigt auf das Whiskyglas vor Requer. Die übrigen Detectives haben sich
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