Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
Vom Netzwerk:
drei Fälle ihres Teams allein annehmen und bearbeiten musste. Sie sind schließlich im Morddezernat, er ist ein Detective, und Landsman findet, Ceruti sollte allmählich herausgefunden haben, was das heißt.
    Fred Ceruti ist ein guter Cop. Er wurde vom Captain in ihr Dezernat geholt, nachdem er vier Jahre im Western District Erfahrungen gesammelt hatte. Er hatte dort als Ziviler einiges geleistet, und in einer Organisation, die sich die »Affirmative Action« auf die Fahnen geschrieben hat, bleibt ein guter schwarzer Cop nicht unbemerkt. Trotzdem ist das Morddezernat des CID für jemanden mit nur vier Jahren Erfahrung ein hartes Pflaster, und in den anderen Dezernaten im fünften Stockwimmelt es von Detectives, die es nach einem kurzen Gastspiel in der Abteilung Gewaltverbrechen aufgegeben haben. Ceruti übersieht immer noch Dinge, die von einem erfahreneren Detective am Tatort oder in einer Vernehmung einfach nicht übersehen werden dürfen. Solange er als zweiter Mann mit Dunnigan oder Requer Fälle bearbeitet hat, ist das nicht weiter aufgefallen. Und es wurde auch nicht gleich offensichtlich, als Landman vor vier Monaten begann, ihn allein auf Einsatz zu schicken.
    Viele seiner Soloeinsätze konnte Ceruti mit Erfolg abschließen. Allerdings waren das auch klare Dunker gewesen – wie im Februar die erstochene Prostituierte im Rotlichtviertel The Block, neben der drei Zeugen warteten, oder im April der Fall eines Erschlagenen, bei dem die Streife noch vor Ankunft der Detectives einen Verdächtigen ausgemacht hatte.
    Ein Doppelmord im Januar hingegen, zwei Tote in dem Drogenversteck im Osten der Stadt, konnte erst aufgeklärt werden, nachdem zwischen Ceruti und seinem Sergeant scharfe Worte gefallen waren. Ceruti hatte sich damals gesträubt, jemanden in einem Fall unter Anklage zu stellen, in dem sie nichts weiter hatten als einen sich sträubenden Zeugen. Landsman hingegen war vor allem daran gelegen, die beiden Morde von der Tafel zu bekommen, und als es Dunnigan später gelang, dem Zeugen eine umfassende Aussage herauszuleiern, leitete man die Angelegenheit trotz Cerutis Einwänden an die Grand Jury weiter. Inhaltlich hatte Ceruti recht gehabt: Da die Anklage auf wackeligen Beinen stand, wurde von der Staatsanwaltschaft erst gar kein Verfahren eröffnet. Doch auf praktischer und politischer Ebene ließ es den Neuen als Mann ohne Biss erscheinen, schließlich hätte er den Fall schon früher klären können. Ähnlich schlecht lief es im Fall Stokes, dem Drogenmord in einem Hinterhof im Western. Ceruti konnte zwar für sich verbuchen, dass er die Frau gefunden hatte, die die flüchtenden Schützen gesehen hatte, hatte sie damals aber nicht ins Präsidium gebracht. Angesichts der Gefahr, der sich ein Zeuge aussetzt, war das sicherlich eine nachvollziehbare Entscheidung. Auch Edgerton hatte sich einen Monat zuvor dafür entschieden, seinen Zeugen für die Schießerei in der Payson Street nach der Befragung am Tatort gehen zu lasen. Der Unterschied war nur, dass Edgerton seinen Mord aufklären konnte – dennim realen Leben gilt, dass ein Detective tun und lassen kann, was er will, solange er seine Fälle löst.
    Dass ein Anfänger wie Ceruti zwei offene Fälle in Folge ansammelt, ist an sich nichts Bedrohliches. Weder Joseph Stokes noch Raymond Hawkins, der auf der Whittier Avenue mit dem Tode kämpfte, gehören unbedingt zur Gattung der braven Steuerzahler, und in der Praxis gestand man einem Mordermittler eine ziemlich lange Frist zu, um seinen Ermittlungsbericht zu schreiben – solange es sich nicht um einen Red Ball handelte. Daher lautete der Vorwurf an Ceruti auch nicht, dass zwei Drogenmorde ungelöst blieben. Nein, er hatte eine viel größere Sünde begangen. Was Ceruti zu Fall bringen wird, ist seine bewusste Missachtung des Ersten Gebots der Polizei: Du sollst deinen Arsch in Sicherheit bringen!
    Denn in etwas mehr als einem Monat wird Ceruti wegen des Falls Stokes zum Captain zitiert werden. Braver Steuerzahler oder nicht, das zweiunddreißigjährige Opfer ist zufällig der Bruder einer im Präsidium arbeitenden Sekretärin. Kraft ihres Amtes findet sie den Weg zum Morddezernat und erkundigt sich wiederholt nach dem Stand der Ermittlungen. Diese erreichen leider kein nennenswertes Niveau. Es gibt keine neuen Spuren, und die Frau, die die flüchtenden Schützen gesehen hatte, konnte keinen der Männer identifizieren. Anfangs kann Ceruti die Angestellte noch vertrösten, doch schließlich wendet sie

Weitere Kostenlose Bücher