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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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wie Sex: fantastisch, wenn er gut ist, und wenn es nicht so toll ist, immer noch gut.
    Das hat sich erst wieder in der letzten Woche gezeigt, als Worden mit seinem Riecher und seiner Begabung zwei Fälle löste – scheinbar mühelos und elegant, obwohl das Debakel um Larry Young noch die Luft verpestete.
    Vor sechs Tagen waren Worden und Rick James wegen einer Messerstecherei in die Jasper Street gerufen worden. Sie fanden einen dreiundzwanzigjährigen schwarzen Jungen halb nackt unter blutigen Laken in einem Zimmer im ersten Stock. Die beiden Ermittler sahen sich den Toten eine Weile schweigend an, dann wussten sie, dass sie es mit einem Beziehungsstreit unter Homosexuellen zu tun hatten. Anzahl und Tiefe der Stichwunden sprachen eindeutig dafür, denn nur bei sexuell motivierten Taten kommt es zu dieser Art von Overkill, und eine Frau kann einem Mann in der Regel nicht derart tiefe Wunden zufügen.
    Die Totenstarre begann sich bereits zu lösen. Es war eine feuchte Nacht, und im oberen Stockwerk des Reihenhauses betrug die Temperatur an die 43 Grad. Trotzdem ließen sich die beiden Ermittler an ihrem Tatort Zeit. Wenn ihm die Hitze zu viel wurde, ging Worden kurz nach draußen, setzte sich auf eine Bank an der Straßenecke und trank still von seiner Limo, die er sich aus einem kleinen Laden besorgt hatte. Sie blieben stundenlang. James nahm den ersten Stock und die unmittelbare Umgebung des Toten auf, während Worden durch das Haus wanderte und nach Auffälligkeiten suchte. In einem Zimmer im zweiten Stock hatte der Täter offenbar einen Videorekorder vom Tisch gerissen und ihn halbwegs in eine Abfalltüte geschoben, ehe er seinen Plan aufgab und flüchtete. Aber war es wirklich ein Raubüberfall? Oder wollte es nur jemand so aussehen lassen?
    Als Worden schließlich in die Küche kam, sah er, dass der Ausguss zur Hälfte mit schmutzigem Wasser gefüllt war. Neugierig zog er den Stöpsel heraus, und als das Wasser langsam abfloss, enthüllte es ein Fleischmesser mit einer zerbrochenen Klinge. Neben der Tatwaffe lag ein kleines Handtuch, noch rötlich vom Blut, mit dem sich der Täter vor seiner Flucht offenbar gesäubert hatte. Auf der Küchentheke sah er etwa ein Dutzend schmutzige Teller, Gläser und Besteckteile – wohl Relikte der Mahlzeit vom vorigen Abend. Ein Glas allerdings stand auffällig und allein abseits auf der Theke. Worden rief einen Mann von der Spurensicherung herbei und bat ihn, dieses Glas besonders sorgfältig auf Fingerabdrücke zu untersuchen. In einer schwülen Nacht wie dieser, dachte Worden, hat der Täter vielleicht noch ein Glas Wasser getrunken, ehe er das Weite suchte.
    Nach der fünfstündigen Aufnahme des Tatorts in der Jasper Streetfuhr James in die Rechtsmedizin, und Worden verschanzte sich mit dem Mitbewohner des Opfers, der zugleich der Hausbesitzer war, im Vernehmungsraum. Der Mann hatte den Toten gefunden, als er von seiner Nachtarbeit zurückkehrte, und berichtete Worden, als er am Abend zuvor aufgebrochen sei, habe das Opfer jemanden zu Besuch gehabt, den er in einer Bar kennengelernt habe. Es sei jemand gewesen, den er zuvor noch nie gesehen habe und dessen Namen er nicht kenne.
    Worden nahm den Mitbewohner nach allen Regeln der Kunst in die Mangel. Besonders konzentrierte er sich auf den Punkt, dass der Hausbesitzer zur Arbeit gegangen war, während sich sein Süßer mit einem anderen Kerl einen schönen Abend machte.
    »Das hat Ihnen doch nicht gepasst, oder?«
    »Es war mir egal.«
    »Egal? Wirklich?«
    »Ja.«
    »Also mir würde da der Hut hochgehen.«
    »Ich war nicht wütend.«
    Da der Mann an seiner Darstellung festhielt, hatte Worden nichts weiter gegen ihn in der Hand. So schien es jedenfalls, bis der Printrak später am Nachmittag für die Fingerabdrücke auf dem Glas einen Treffer meldete. Der Abdruck gehörte einem Dreiundzwanzigjährigen aus West-Baltimore mit einem langen Vorstrafenregister. Äußerst widerwillig kam der Hausbesitzer noch einmal ins Morddezernat und konnte den Verdächtigen aus einer Reihe von Erkennungsdienstfotos identifizieren. Die Aufklärung dieses Falls verdankten sie Wordens Beobachtungsgabe – ihm war das abseits stehende Wasserglas und damit ein kostbares Beweismittel aufgefallen.
    Vier Tage später war es sein bemerkenswertes Gedächtnis, das einen Mörder hinter Gitter brachte. Bei der Festnahme zweier wegen Autodiebstahls gesuchter Männer fiel einem Officer der Bereitschaftspolizei auf, dass einer der beiden, Anthony Cunningham,

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