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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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weckst du besser Dunningham auf und …«
    »Nein«, entgegnet Landsman, »diesmal nicht.«
    »Mensch, Jay. Den Letzten hatte ich auch schon …«
    »Dein Einsatz, Fred. Mach, was getan werden muss. Schickst du uns jemanden rein?«
    »Ich hab niemanden, den ich schicken kann. Es gibt hier keine Zeugen oder so was.«
    »Gut, Fred. Ruf mich an, wenn du mit dem Tatort fertig bist.«
    Ceruti knallt den Hörer auf die Gabel und stößt ein paar bittere Flüche auf seinen Sergeant aus. Das kurze Gespräch hat ihm mal wieder bestätigt, dass Landsman ihm das Leben schwer machen will. Erstschickt er ihn allein zum Einsatz, dann verweigert er ihm die Verstärkung. Genauso war es im Fall Stokes im vergangenen Monat und bei der Schlägerei im Southwestern im April gewesen. Seitdem hat Landsmans Team keine neuen Fälle mehr bekommen, und bei den beiden anderen ist Ceruti der leitende Ermittler. Mit dem Kerl hier in der Whittier hat er drei in Folge. Landsman kennt die Tafel, sagt sich Ceruti. Er weiß, was los ist. Also warum schickt er nicht Dunnigan her, damit er den Fall übernimmt?
    Aber Ceruti kennt die Antwort. Zumindest glaubt er das. Er ist nun einmal nicht der Goldjunge in Landsmans Team, nicht einmal annähernd. Er und Pellegrini haben zwar zur gleichen Zeit angefangen, aber es war Pellegrini, an dem der Sergeant Gefallen fand, mit dem er gerne seine Fälle bearbeitete. Tom ist nicht nur sein Kronprinz, er ist sein Kumpel, sein Stichwortgeber in der Sitcom, in der Landsman lebt. Zwei, drei gute Fälle, und Tom gilt plötzlich als Ausnahmetalent und Kandidat für den Grünschnabel des Jahres. Ceruti hingegen ist einfach der andere, Dutzendware aus den Districts. Und jetzt ist er ganz allein.
    Als Ceruti vom Münztelefon zurückkehrt, fährt der Krankenwagen gerade los. Ceruti versucht, das Gespräch mit Landsman zu vergessen und zu tun, was getan werden muss, so wenig es bislang bei diesem Mord, der noch keiner ist, zu tun gibt. Einer der Uniformierten hat inzwischen auf einer nahe gelegenen Eingangstreppe wenigstens eine verschossene Kugel gefunden, eine 38er oder 32er dem Anschein nach, doch zu deformiert für eine ballistische Untersuchung. Kurze Zeit später kommt jemand von der Spurensicherung, tütet die Kugel ein und macht die Tatortfotos. Ceruti wandert zum Münztelefon zurück, um Landsman Bescheid zu sagen, dass er auf dem Rückweg ist.
    Jedenfalls hat er das vor. Doch da fällt ihm eine korpulente Frau auf, die in der Orem Avenue auf einer Veranda sitzt und ihn auf seinem Weg zum Telefon merkwürdig ansieht. Er ändert die Richtung und schlendert so beiläufig auf das Haus zu, wie das um vier Uhr morgens möglich ist.
    So unglaublich es ist, sie hat die Schützen gesehen. Noch unglaublicher ist, dass sie Ceruti erzählen will, was sie gesehen hat. Es waren drei, die nach den Schüssen über die Straße auf ein Haus am anderen Ende der Orem Avenue zugelaufen sind. Nein, sie sind ihr nicht bekannt,aber sie hat sie gesehen. Als Ceruti ein paar weitere Fragen stellt, wird sie unruhig – verständlich, da sie ja weiterhin in dieser Gegend leben muss. Wenn Ceruti sie jetzt von ihrer Veranda mitnimmt, weiß die ganze Straße, dass sie als Zeugin aussagt. Deshalb lässt er sich nur ihren Namen und ihre Telefonnummer geben.
    Bei seiner Rückkehr ins Büro sitzt Landsman vor dem Fernseher und schaut Nachrichten. Ceruti wirft seinen Notizblock auf den Schreibtisch.
    »Hallo, Fred«, sagt Landsman ungerührt. »Wie isses gelaufen?«
    Ceruti funkelt ihn an und zuckt die Achseln.
    Landsman wendet sich wieder dem Fernseher zu. »Vielleicht ruft ja jemand an.«
    »Ja. Vielleicht.«
    Ceruti empfindet das Verhalten seines Sergeant als überzogen grausam. Für Landsman hingegen ist die Sache ganz einfach. Kommt ein Neuer ins Team, dann zeigt man ihm erst mal, wo es langgeht. Man schleift ihn durch ein paar Fälle, bis er das Spiel kennt. Wenn man kann, wirft man ihm sogar ein paar Dunker hin, um sein Selbstvertrauen zu stärken. Mehr Eingewöhnungsprogramm gibt es im Morddezernat nicht. Danach heißt es: Friss oder stirb.
    Es stimmt, dass Landsman große Stücke auf Pellegrini hält. Es stimmt auch, dass er seine Fälle lieber mit Pellegrini bearbeitet als mit jedem anderen aus seinem Team. Aber Ceruti ist jetzt seit einem Jahr unter den wachsamen Augen von Dunnigan und Requer auf Einsatz rausgefahren, und daher kann man nicht behaupten, dass er nackt den Wölfen vorgeworfen wurde. Es hat also seinen Grund, dass er die letzten

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