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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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laufen.«
    »Ich weiß nicht, ob das geht, Rick«, sagt Worden bitter. »Ich weiß nicht, ob er ein Auto haben darf, um richtige Polizeiarbeit zu machen. Wenn er gegen einen Senator oder so jemanden ermitteln würde, ja dann. Aber für einen Mord …«
    James schüttelt den Kopf. »Lass sie doch in Frieden«, erklärt er Worden. »Ich bin froh, endlich mal wieder ein bisschen Geld machen zu können.«
    »Mann, ja, verdammt«, sagt Dave Brown. »Sicher mehr, als ich mit meinem Mord hier.«
    »Genau«, ergänzt Worden. »Schließlich hat man ja Larry Young zuliebe auch das Überstundenlimit aufgehoben. In Zukunft bearbeite ich gar keine Morde mehr. Da verdient man ja nichts …«
    Worden zündet sich eine neue Blackwoods an und lehnt sich an die grüne Trennwand. Das Ganze ist lustig und traurig zugleich.
    Vor drei Wochen war der Officer vor der Grand Jury erschienen, der im Gelände hinter der Monroe Street den Leichnam von John Randolph Scott gefunden hatte. Er gab keine Antworten zu den Umständen, die zum Tod des von ihm verfolgten Mannes geführt hatten. Sergeant Wiley verlas vor der Grand Jury eine kurze Erklärung, in der er sich beklagte, wie ein Tatverdächtigter behandelt zu werden, und berief sich dann auf den Fünften Verfassungszusatz, der ihn davor schützte, sich selbst zu belasten. Da ihm die Anklage keine Straffreiheit zusicherte, marschierte Wiley anschließend wieder hinaus. Damit stecktendie Ermittlungen zur Monroe Street in einer Sackgasse, aus der sie wohl auch nicht wieder herauskommen würden. Da keine weiteren Beweise vorlagen, bat Tim Doorey, der verantwortliche Staatsanwalt, die Grand Jury nicht um die Anklageerhebung. Das heißt, eigentlich musste er mit Engelszungen auf sie einreden, denn nachdem die Jury Wordens und James’ Berichte über die widersprüchlichen Aussagen der an John Scotts Verfolgung beteiligten Polizisten gehört hatte, schienen mehrere Geschworene entschlossen, Anklage zu erheben. Letztlich konnte Doorey sie jedoch überzeugen, dass ein Prozess keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Wenn Sie ihn heute anklagen, wird er wegen Mangel an Beweisen freigesprochen, sagte er ihnen. Und wenn dann in einem Jahr vielleicht neue Indizien auftauchen, haben wir unser Pulver schon verschossen. Schließlich gilt der Grundsatz, dass niemandem wegen desselben Verbrechens zweimal der Prozess gemacht werden darf.
    Durch Doorys Überzeugungsarbeit wurde die Akte Monroe Street faktisch geschlossen. Worden und James hatten dabei einen schalen Geschmack im Mund. Doory war ein guter und sorgfältiger Staatsanwalt, die beiden Detectives aber dachten sich ihren Teil. »Wenn es sich beim Tatverdächtigen um irgendeinen Penner gehandelt hätte«, sagte James, »wäre er angeklagt worden.«
    So wanderte die Akte Monroe Street in eine separate Hängeschublade im Büro des Verwaltungsleiters – ein Grab, getrennt von anderen offenen Fällen, wie es Baltimores einzigem ungelösten Fall von Schusswaffengebrauch mit möglicher Beteiligung der Polizei auch zukam.
    Nach seiner monatelangen Arbeit kann sich Worden nur schwer mit diesem Ergebnis abfinden. Außerdem stehen auf der Tafel neben Wordens Kürzel noch immer die rot geschriebenen Namen von zwei Opfern vom März: Sylvester Merriman wartet darauf, dass der Big Man den untergetauchten Zeugen, den Ausreißer aus der Jugendwohngruppe, ausfindig macht, und im Fall Dwayne Dickerson sucht Worden noch nach Zeugen aus der Umgebung der Ellamont Street. Da McLarneys Team die ganze Woche über Nachtschicht hat, kann Worden davon ausgehen, noch vor Samstag einen neuen Mord auf dem Tisch zu haben. In den letzten sechs Monaten hat er bis zum Hals in Arbeit gesteckt. Und trotzdem wollte ihm die Stadt Baltimore erst unbegrenzteÜberstunden bezahlen, als es darum ging, am Stuhl eines angeschlagenen Politikers zu sägen.
    »Auf eins kannst du Gift nehmen«, sagt der Big Man zwischen zwei Bissen in sein Sandwich zu Rick James. »Das ist das letzte Mal, dass ich mich für so etwas hergebe. Ich bin nicht hier, um für andere die Drecksarbeit zu machen.«
    James schweigt.
    »Dieser Larry Young ist mir scheißegal, aber ich habe dem Mann mein Wort gegeben …«
    Wordens Wort. Im Northwestern District war es heilig gewesen, im guten alten Fahndungsdezernat Gold wert, und wenn man im Raubdezernat einem Mann namens Donald Worden gegenübersaß, verdammt, dann konnte man sicher sein, dass er auch meinte, was er sagte. Aber nun waren sie im Morddezernat, im Land des Verrats,

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