Homicide
es auch so.«
Worden wirft ihm wieder einen Blick zu.
»Gut, hast ja recht. Möglicherweise sage ich es doch deshalb. Vielleicht rede ich ja nur noch Mist, aber ich habe keine Lust, mit einem Wahnsinnigen wie Waltemeyer allein im Büro zu hocken. Du weißt, was ich meine. Denk doch einfach noch mal darüber nach.«
»Ich bin müde«, sagt Worden. »Mir reicht’s.«
»Du hattest ein schreckliches Jahr. Die Monroe Street und deine anderen Fälle … Sicher, du hattest einiges zu knacken. Aber das wird sich ändern, ganz bestimmt. Und die Sache mit Larry Young, wen interessiert die schon?«
Worden schweigt.
»Du bist ein Cop, Donald. Zur Hölle mit den Vorgesetzten, vergiss die Bosse. Die haben immer was zu meckern, mehr ist das nicht. Was soll’s? Vergiss sie. Aber ein Cop wie du? Was könntest du sonst überhaupt noch machen?«
»Ganz vorsichtig nach Hause fahren, beispielsweise.«
»Donald, hör mir zu!«
»Hab’ schon verstanden, Terry.«
»Versprich mir eins. Versprich mir, erst noch mal zu mir zu kommen, ehe du was unternimmst.«
»Gut, zuerst rede ich mit dir.«
»In Ordnung«, sagt McLarney. »Dann führen wir dieses Gespräch noch einmal. So kann ich es wenigstens üben.«
Worden lächelt.
»Du hast morgen frei, nicht wahr?«, fragt McLarney.
»Ja, sogar zehn Tage. Mein Urlaub.«
»Ach ja. Dann viel Spaß. Willst du wegfahren?«
Worden schüttelt den Kopf.
»Du bleibst also zu Hause.«
»Will was am Keller machen.«
Mclarney nickt. Dazu kann er nicht viel sagen, denn Werkzeug, Gipskarton und anderes, was man so zum Renovieren braucht, waren ihm schon immer ein Rätsel.
»Pass auf dich auf, wenn du heimfährst, Terry.«
»Ich bin okay.«
»Dann mach’s gut.«
Worden steigt in die Fahrerkabine, dreht den Zündschlüssel um und lenkt den Pick-up auf die leere Madison Street. McLarney kehrt zu seinem eigenen Auto zurück. Vielleicht habe ich ja heute Nacht doch noch etwas erreicht, hofft er, obwohl er es kaum glauben kann.
Sieben
S
ummertime and the living is easy«,
heißt es in
Porgy and Bess.
Aber Gershwin war auch kein Mordermittler in Baltimore, wo der Sommer dampft und schwitzt und sich der Asphalt spaltet, als würde sich die Hölle öffnen. Von der Milton Avenue bis zur Poplar Grove Street steigt die Hitze schwirrend vom Pflaster auf, und um die Mittagszeit sind Ziegel- und Kunststeinmauern so heiß, dass man sie nicht mehr berühren kann. Keine Liegestühle, keine Rasensprenger, keine Piña Coladas aus zehnstufigen Mixern;
Summer in the city,
das bedeutet Schweiß und Gestank und miese Luft, die aus jedem zweiten Haus von billigen Ventilatoren nach draußen gepresst wird. Baltimore ist ein Sumpf, von gottesfürchtigen katholischen Flüchtlingen errichtet auf einem trockengelegten Haff der Chesapeake Bay. Eigentlich hätten sie ins Grübeln kommen müssen, als sich die ersten Stechmücken des Patapsco River an ihrer blassen europäischen Haut gütlich taten. Der Sommer in Baltimore, das ist ein unerbittlicher Kampf mit sich selbst, ein Gebilde mit einer kritischen Masse.
In dieser Jahreszeit leben die meisten draußen; die halbe Stadt sitzt auf den Marmor- und Steintreppen, fächelt sich Luft zu und wartet auf eine Brise vom Hafen, die es nie bis in die landeinwärts liegenden Viertel zu schaffen scheint. Sommer, das heißt Spätschichten mit Schlagstock und Polizeitransportern im Western District, mit ungefähr dreihundert schweren Jungs auf der Edmondson Avenue zwischen Payson Avenue und Pulaski Highway, die einander und jeden vorbeifahrenden Streifenwagen provozierend mustern. Sommer, das heißt neunzig Minuten Notstromversorgung in der Ambulanz des Hopkins-Krankenhauses, wilde Flüche und Klagen aus den Haftzellen der Reviere, die nächtliche Aussicht auf eine weitere Blutlache auf dem schmutzigen Linoleumboden eines Imbisses in der Federal Street. Sommer, das ist eine Messerstecherei in einer Bar auf der Druid Hill Avenue, ein zehnminütiger Schusswechsel in Terrace, ein häuslicher Streit, der einen ganzenTag dauert und damit endet, dass sich Mann und Frau gemeinsam einen Kampf mit der Polizei liefern. Sommer, das ist die Zeit der Morde ohne Motiv, der Steakmesser mit abgebrochener Klinge und der verbogenen Eisenstangen; es ist die Zeit der echten Gefahr, der massiven und sofortigen Vergeltung. Das sommerliche Baltimore mit seinen 35 Grad ist die Brutstätte für den Streit bis aufs Blut. In einer Bar in Pigtown schaltet ein Betrunkener die Übertragung eines Spiels der
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