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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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dünn, dunkelhäutig, sechzehn oder siebzehn und trägt Radlerhosen aus Elastan und ein Kapuzenshirt. Obwohl es sicher noch knapp vierzig Grad warm ist, hat er die Hände in die Taschen gesteckt und den Reißverschluss des Kapuzenshirts bis oben zugezogen.
    »Er hält uns für geeignete Opfer«, sagt McLarney und kichert leise.
    »Wundert mich nicht. Zwei weiße alte Knacker, die mitten in der Nacht auf einem leeren Parkplatz rumhängen«, schnaubt Worden.
    »Wir sind nicht alt«, protestiert McLarney. »Ich jedenfalls nicht.«
    Worden grinst und wirft den Autoschlüssel von einer Hand in die andere. Er hatte eigentlich vor, nach der Spätschicht direkt nach Hause zu fahren, stattdessen hat er zwei Stunden im Kavanaugh’s an der Bar gehockt und sich ein paar Jack Daniels Black Label hinter die Binde gekippt. Doch in der letzten Stunde hat er Abstinenz geübt – Worden mag das Miller Lite nicht, das sich McLarney besorgt hat –, was ihn wieder halbwegs auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht hat.
    »Ich muss morgen früh raus«, sagt er.
    McLarney schüttelt den Kopf. »Ich will nichts davon hören, Donald. Nun gut, du hattest ein schlechtes Jahr. Aber was soll’s? Du steigst wieder in den Sattel, nimmst dir einen neuen Fall, und dann sieht die Welt schon gleich ganz anders aus. Das weißt du doch selbst.«
    »Ich mag es nicht, wenn man mich benutzt.«
    »Niemand hat dich benutzt.«
    »Doch«, entgegnet Worden. »Hat man.«
    »Du bist immer noch sauer wegen der Monroe Street, was? Wir waren da nicht einer Meinung, aber das ist … »
    »Nein. Es geht nicht um die Monroe Street.«
    »Worum dann?«
    Worden verzieht das Gesicht.
    »Etwa dieser Larry Young?«
    »Zum Teil«, erwidert Worden. »Der gehört jedenfalls dazu.«
    »Sicher, das war eine beschissene Sache.«
    »Sie haben mich benutzt«, wiederholt Worden. »Sie haben mich beiihren schmutzigen Spielen benutzt. Und darauf kann ich gut und gern verzichten.«
    »Ja, das haben sie«, gibt ihm McLarney widerstrebend recht.
    Worden wendet ein wenig den Kopf. Aus den Augenwinkeln verfolgt er den Jungen im grauen Kapuzenshirt. Der umkreist sie wie ein Hai. Nun ist er schon wieder auf der gegenüberliegenden Seite der Querstraße, die Hände in den Taschen vergraben, und beobachtet sie verstohlen.
    »Jetzt reicht’s«, sagt McLarney. Er leert in einer flüssigen Bewegung seine Bierdose, dann greift er in die Jackentasche und macht sich auf den Weg über den Parkplatz.
    Der Junge hat inzwischen die Richtung geändert und bewegt sich von der anderen Straßenseite auf die Detectives zu.
    »Pass auf, dass du ihn nicht erschießt«, sagt Worden schmunzelnd. »Ich habe keine Lust, meinen ersten Urlaubstag mit Berichteschreiben zu verbringen.«
    Als McLarney näher kommt, bleibt der Jungen verwirrt stehen. Der Detective zieht seine silberne Dienstmarke heraus und winkt damit auf unmissverständliche Weise. »Wir sind Bullen«, ruft er. »Such dir jemand anderen zum Überfallen.«
    Beim ersten Aufblitzen des Silbers hat sich der Junge umgedreht. Er bleibt auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig stehen, hebt die Arme, öffnet die Hände, als ob er sich ergeben wollte.
    »Ich will niemanden überfallen«, ruft er ihnen über die Schulter zu. »Das ist ein Missverständnis.«
    McLarney wartet, bis er in der Madison Avenue verschwunden ist, dann kehrt er zu Worden zurück.
    »Wir sind Bullen«, sagt Worden grinsend. »Das war gut, Terry.«
    »Ich glaube, wir haben ihm die Nacht versaut. Er hat eine halbe Stunde Arbeit auf uns verschwendet.«
    Worden gähnt. »Ganz recht, Sergeant. Wollen wir uns nicht allmählich auf den Weg machen …«
    »Das sollten wir wohl«, sagt McLarney. »Ich habe nämlich kein Bier mehr.«
    Worden knufft seinen Sergeant in die Seite und fingert den richtigen Schlüssel hervor.
    »Wo steht dein Wagen?«
    »Hinten in der Madison.«
    »Ich bringe dich hin.«
    »He!, haben wir ein Date?«
    McLarney lacht. »Du hättest es schlimmer treffen können.«
    »Kaum.«
    »Hör mal, Donald«, sagt McLarney unvermittelt. »Lass dir ein bisschen Zeit. Im Augenblick bist du sauer, und das kann ich gut verstehen. Aber die Dinge werden sich auch wieder ändern. Du weißt doch selbst, dass du gar nichts anderes machen willst, oder? Du liebst diesen Job.«
    Worden antwortet nicht.
    »Du bist mein bester Mann. Das weißt du doch.«
    Worden wirft ihm einen Seitenblick zu.
    »Wirklich, bist du. Und das sage ich nicht, weil ich dich nicht verlieren will. Sondern ich meine

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