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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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werden. Ein weiterer Versicherungsvertrag ist auf Geraldines jüngere Schwester ausgestellt, die vor mehreren Jahren unter ungeklärten Umständen starb. Und aus einem anderen Album zieht Childs eine Sterbeurkunde für einen Mann namens Albert Robinson, die im Oktober 1986 ausgestellt wurde. Als Todesursache ist Mord angegeben.
    Childs geht mit dem Dokument zu einem anderen blauen Ringordner, der eine chronologische Liste der Morde in Baltimore enthält. Er schlägt das Blatt mit den Fällen des Jahres 1986 auf und geht die Spalte mit den Opfern durch:
    Robinson, Albert s/m/48
    10.6.1986, erschossen, ungeklärt, 4 J-16884
    Die Ermittlungen in diesem nach zwei Jahren immer noch offenen Fall hatte Rick James geleitet. Childs kehrt mit der Sterbeurkunde ins Büro zurück, wo James an seinem Schreibtisch sitzt und geistesabwesend in einem Chefsalat stochert.
    » Sagt dir das irgendwas?«, fragt ihn Childs.
    James sieht sich die Sterbeurkunde an. »Wo hast du die denn her?«
    »Aus dem Fotoalbum der Schwarzen Witwe.«
    »Willst du mich verarschen?«
    »Nicht im Geringsten.«
    »Ich glaub’s nicht!« James springt auf und greift nach der Hand des Sergeant. »Gary Childs hat meinen Mord gelöst.«
    »Einer musste es ja machen.«
    Albert Robinson, der alte Säufer aus Plainfield, New Jersey, war an einem Bahngleis der B&O-Eisenbahngesellschaft am unteren Ende des Clifton Park tot aufgefunden worden. Er hatte einen Kopfschuss und zum Zeitpunkt seines Todes 4,0 Promille im Blut, also das Vierfachedes für Autofahrer Erlaubten. Als James an dem Fall saß, hatte er keine Erklärung dafür finden können, warum ein Alkoholiker aus Jersey in Baltimore zu Tode kam. Vielleicht, so hatte er überlegt, war er ein Penner, der auf einen Frachtzug Richtung Süden aufgesprungen und aus unbekannten Gründen bei der Durchfahrt durch Baltimore erschossen worden war.
    »Wo ist die Verbindung zwischen Geraldine und Albert?«, fragt James plötzlich ungemein interessiert.
    »Keine Ahnung«, erwidert Childs, »aber wir wissen, dass sie mal in Plainfield gewohnt hat …«
    »Kein Scheiß?«
    »… und ich habe das Gefühl, dass wir irgendwo in diesem Papierstapel eine auf deinen Mann ausgestellte Versicherungspolice finden werden.«
    »Oh, Balsam auf meine Seele«, sagt James lachend. »Erzähl mir mehr so wunderbare Dinge.«
    In dem großen Vernehmungsraum rückt Geraldine Parrish ihre Perücke zurecht und legt unter Zuhilfenahme eines Taschenspiegels eine weitere Make-up-Schicht auf. Nichts von den bisherigen Ereignissen hat die Sorge um ihr Erscheinungsbild beeinträchtigen können. Noch ihren Appetit. Als ihr die Detectives ein Jumbosandwich mit Thunfisch von Crazy John’s bringen, legt sie alles beiseite und kaut es langsam Bissen für Bissen. Und wenn sie das Sandwich an beiden Enden packt und es zum Mund führt, hält sie die kleinen Finger abgespreizt.
    Zwanzig Minuten später will sie zur Toilette gehen, und Eddie Brown begleitet sie bis zur Tür. Er schüttelt lächelnd den Kopf, als sie fragt, ob er mit hineinkommen würde.
    »Nun gehen Sie schon«, erwidert er nur.
    Sie bleibt gut fünf Minuten drin, und als sie wieder in den Flur kommt, hat sie neuen Lippenstift aufgelegt. »Ich brauche meine Medikamente«, sagt sie.
    »Gut, und was?«, fragt Brown. »Sie hatten ungefähr ein Dutzend verschiedene in Ihrer Tasche.«
    »Alle.«
    Eddie Brown sieht in Gedanken vor sich, wie sie im Vernehmungsraum an einem Medikamentencocktail kollabiert. »Sie können nicht allebekommen«, entgegnet er, während er sie durch den Flur zurückführt. »Sie dürfen drei Pillen auswählen.«
    »Ich habe Rechte«, sagt sie in bitterem Ton. »Das verfassungsmäßig garantierte Recht, meine Medikamente zu bekommen.«
    Brown lächelt erneut und schüttelt den Kopf.
    »Über wen lachen Sie? Was Sie brauchen, ist eine Religion … steht da und lacht Leute aus.«
    »Wollen Sie mich missionieren?«
    Geraldine trottet langsam in den Vernehmungsraum zurück. Childs und Waltemeyer folgen ihr. Am Ende werden sich vier Detectives an dieser Frau versuchen. Sie werden die Versicherungspolicen auf dem langen Tisch ausbreiten und ihr wieder und wieder erklären, dass es keine Rolle spielt, ob sie selbst abgedrückt hat oder nicht.
    »Wenn Sie dafür gesorgt haben, dass jemand erschossen wird, sind Sie des Mordes schuldig, Geraldine«, sagt Waldemeyer.
    »Kann ich jetzt meine Medikamente bekommen?«
    »Geraldine, hören Sie mir zu. Ihnen werden bereits drei Morde zur Last

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