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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Gordon in der Lage sei, einen Auftragsmord zu begehen, erklärte er den Detectives und Anklagevertretern etwas verlegen, Gordon sei bereits eine Weile auf diesem Gebiet tätig. Er arbeite nämlich schon seit ein paar Jahren für eine Frau aus East Baltimore namens Geraldine und bringe Leute für sie um.
    Wie viele?
    Vice wusste von drei oder vier. Und dann sei da noch die junge Frau – eine Nichte von Geraldine –, die einfach nicht habe sterben wollen, so oft Gordon es auch versucht habe.
    Wie oft er es versucht habe?
    Dreimal, erwiderte Vice. Beim letzten Anschlag hatte er dreimal auf den Kopf der jungen Frau geschossen. Als auch das fehlschlug, hatte Gordon niedergeschlagen zu Vice gesagt: »Was ich auch tue, die Schlampe will einfach nicht sterben.«
    Nachdem sie noch am selben Tag mit Dollie Brown gesprochen hatten, konnten Waltemeyer und Crutchfield bestätigen, dass sie die Nichte von Geraldine Parrish ist und tatsächlich ein drittes Mal angegriffen worden war. Im Mai hatte sie einen Spaziergang mit ihrer Tante Geraldine gemacht, die sie vor einer Treppe in der Hollins Street bat, einen Moment zu warten, weil sie etwas holen wollte. Sekunden später war ein Mann auf Dollie zugerannt und hatte mehrere Schüsse auf ihren Kopf abgegeben. Wieder war sie im University Hospital behandelt und nach einiger Zeit entlassen worden. Unglaublicherweise hatte sie damals den Ermittlungsbeamten nichts von den vorherigen Mordversuchen erzählt. McAllister, der die die Schießerei in der Hollins Street bearbeitete, hatte kaum etwas über Waltemeyers Erpressungsfall zwei Monate zuvor gewusst und deshalb lediglich einen kurzen Tagesbericht geschrieben.
    Mit Vices Aussage wurde der legendäre Überlieferungsschatz des Morddezernats von Baltimore um einen neuen Beitrag bereichert: um die Geschichte von der nicht totzukriegenden Dollie Brown, der glücklosen, hilflosen Nichte von Miss Geraldine Parrish, einer Schwarzen Witwe.
    Rodney Vice hatte jedoch noch mehr über Miss Geraldine zu erzählen. Die Sache mit Dollie Brown und den 12.000 Dollar aus den Lebensversicherungen, die Tante Geraldine im Namen ihrer Nichte in Empfang genommen hatte, war längst nicht alles. Es gab noch mehr Lebensversicherungen, noch weitere Morde. Zum Beispiel 1985, als Geraldines Schwager auf der Gold Street erschossen wurde. Auch damals hatte Edwin Gordon den Auftrag ausgeführt. Und dann die alte Untermieterin, die in Geraldines Haus in der Kennedy Street wohnte, auf die Gordon zweimal schießen musste, bis sie tot war. Miss Geraldine persönlich hatte die alte Dame zu einem chinesischen Straßenverkauf in der North Avenue geschickt und dann Gordon ein Zeichen gegeben. Der war ruhig auf sein Ziel zugegangen, hatte der Frau aus nächster Nähe einmal in den Rücken geschossen und, nachdem sein Opfer auf den Gehsteig gefallen war, ihr einen tödlichen Schuss in den Kopf verpasst.
    Den mit allen Wassern gewaschenen Detectives rauchte der Kopf, als sie das Gerichtsgebäude verließen. Drei Morde, drei Mordversuche – und das war nur das, was Vice zufällig mitbekommen hatte. Nach ihrer Rückkehr ins Präsidium wurden die Akten offener, bis zu drei Jahre zurückliegender Fälle aus den Schränken gezerrt und damit dem Vergessen entrissen.
    Unfassbar, aber alles, was in diesen Akten stand, bestätigte Rodney Vices Bericht. Der Mord an Frank Lee Ross im November 1985, dem Lebensgefährten von Geraldines Schwester, war von Gary Dunnigan bearbeitet worden, der damals kein Motiv hatte finden können. Die tödlichen Schüsse auf die fünfundsechzigjährige Helen Wright, die bei Geraldine zur Untermiete wohnte, hatte Marvin Snydor auf dem Schreibtisch gehabt; da es über den Mord aber keine konkreten Informationengab, hatte der Detective angenommen, die alte Dame sei bei einem aus dem Ruder gelaufenen Raubversuch ums Leben gekommen. Allerdings hatten sich Sydnor nach der routinemäßigen Vernehmung von Geraldine Parrish doch ein paar Fragen gestellt. Er hatte sogar versucht, die Hausbesitzerin einem Lügendetektortest unterziehen zu lassen, es aber aufgegeben, nachdem sie das Attest eines Kardiologen hervorgezogen hatte, in dem es hieß, ihr Gesundheitszustand lasse die Belastung nicht zu. Wie Vice geschildert hatte, war Helen Wright einige Wochen vor dem eigentlichen Mord von Schüssen in den Kopf getroffen worden, was sie jedoch überlebte – eine seltsame Doppelung, die ebenfalls den Zufällen in dieser Stadt zugerechnet worden war.
    Angesichts der Flut

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