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Homicide

Homicide

Titel: Homicide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Simon
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Bullen, Alter.«
    McAllister kriegt die Frau als Erster zu fassen. Er verstellt ihr die Sicht und bittet die sie begleitenden Verwandten inständig, wieder nach Hause zu fahren.
    »Sie können hier nichts tun«, sagt er. Die Mutter schreit. »Wir kommen zu Ihnen, sobald wir können.«
    »Wurde auf ihn geschossen?«, fragt ein Onkel.
    McAllister nickt.
    »Ist er tot?«
    McAllister nickt erneut. Die Mutter sinkt halb in sich zusammenund stützt sich auf eine andere Frau, die ihr in den in zweiter Reihe geparkten Pontiac der Familie hilft.
    »Bringt sie nach Hause«, wiederholt McAllister. »Das ist jetzt wirklich das Beste.«
    Auf der anderen Seite der Woodland Avenue, zur Park Heights hin, entwickelt sich unter den Zuschauern etwas weit Aufregenderes. Ein Junge deutet auf einen hochgewachsenen, schlaksigen Mann in der Menge und platzt mit einem vagen Vorwurf heraus.
    »Der war dabei«, sagt er so laut zu einem Freund, dass ein Uniformierter es mitbekommt. »Er stand da vorne und ist losgerannt, als sie auf ihn geschossen haben.«
    Der Uniformierte geht einen halben Schritt auf den Mann zu. Der dreht sich auf dem Absatz um und rennt den Gehsteig entlang. Zwei andere Uniformierte schließen sich der Verfolgungsjagd an und können den Gejagten an der Ecke der Park Heights einholen. Als die Leibesvisitation eine kleine Menge Heroin zutage fördert, ruft man einen Polizeiwagen.
    Einen halben Block entfernt wird Garvey von der Festnahme berichtet, aber er zuckt die Achseln. Nein, das ist nicht der Schütze, überlegt er. Warum sollte der sich dreißig Minuten, nachdem das Opfer aufs Pflaster fiel, noch hier herumtreiben? Ein Zeuge vielleicht. Oder auch einfach nur ein Zuschauer.
    »Gut, okay. Lasst ihn mit dem Wagen in unser Büro bringen«, sagt der Detective. »Danke.«
    Normalerweise hat die Routinefestnahme eines Drogenabhängigen auf der Woodland Avenue – Pimlicos Boulevard der Junkies – keine Bedeutung für einen Detective, der in der Nähe gerade einen Tatort aufnimmt. Normalerweise hätte Garvey allen Grund, bei seiner jüngsten Leiche zu stehen und sich zu fühlen wie ein Ball, der in hohem Gras verloren gegangen ist. Aber in diesem Sommer reichen schon ein unvermittelter Ruf, eine Verfolgungsjagd zu Fuß und ein bisschen Dope in einer Zellophantüte. Mehr ist nicht nötig, dass selbst die gebrechlichste Schwester hochgerissen wird und ihren Tanz beginnt.
    Es begann mit dem Lena-Lucas-Fall im Februar und ging weiter mit zwei unbedeutenden Morden im April – ein Whodunit und zwei Dunker also, aber alle drei innerhalb ein, zwei Wochen mit einer Festnahmeabgeschlossen. Das allein besagte noch gar nichts: Jeder Detective hat hin und wieder mal eine Glückssträhn. Doch als er auch den Mord in der Winchester Ende Juni klären konnte, zeichnete sich ein Muster ab.
    Auf der Winchester Street hatten sie eigentlich nur ein bisschen verschmiertes Blut und eine verformte Kugel gefunden, als Garvey und McAllister am Tatort eintrafen, und zweifellos wären sie kaum weitergekommen, wenn nicht Bobby Biemiller, McLarneys Saufkumpan aus dem Western, als erster Streifenpolizist am Tatort gewesen wäre.
    »Ich hab’ euch zwei Leute ins Büro geschickt«, sagte Biemiller zu den eintreffenden Detectives.
    »Zeugen?«
    »Weiß nicht. Sie standen hier, als ich ankam, also hab ich sie mir einfach geschnappt.«
    Bob Biemiller, der Freund des kleinen Mannes, der Held der glücklosen Massen und der Streifenpolizist, den drei von fünf Mordermittlern bei einer Ghettoschießerei am liebsten als den ersten Officer am Tatort sehen würden. Auch bei dem Taximord auf der School Street vor ein paar Jahren – Garveys erster Fall als leitender Ermittler – war Biemiller da gewesen. Garvey erinnerte sich gern daran, weil sie den Fall gelöst hatten. Guter Mann, dieser Biemiller.
    »Dann sag mir mal«, meinte McAllister amüsiert, »wer diese unglücklichen Bürger sind, die du der Freiheit beraubt hast.«
    »Die eine ist die Freundin eures Typen, glaub ich.«
    »Wirklich?«
    »Ja, sie war völlig aufgelöst.«
    »Na, das ist doch schon mal was«, meinte Garvey, ein Mann, der sein Lob zu mäßigen wusste. »Und wo ist unser Opfer?«
    »Im University Hospital.«
    Unten am Eingang zur Notaufnahme stand noch der Krankenwagen mit offenem Heck. Garvey blickte hinein und nickte einem schwarzen Sanitäter zu, der das Blut vom Boden des Wagens mit der Nummer 15 wischte.
    »Wie steht’s?«
    »Mir geht’s gut«, sagte der Sanitäter.
    »Das weiß ich.

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